Schneegeflüster
schwindelig«, erklärte er.
»Schlaf doch ne Runde«, riet Ben.
»Du siehst echt müde aus«, ergänzte Theresa.
Tommy musterte die beiden und nickte. »Ihr zwei seid wirklich ein tolles Paar. Muss schön sein, wenn man weiß, dass man zusammengehört.«
Ben und Theresa schwiegen.
Dann drehte sich Tommy um und stapfte wieder die Treppe hinauf. Dass er dabei leise »I’ve been looking for freedom« sang, wirkte auf einmal eher unheimlich als peinlich.
»Du glaubst doch nicht, dass er Mandy wirklich umbringen würde, oder?«, fragte Theresa, nachdem Tommy verschwunden war.
»Keine Ahnung«, sagte Ben. »Hat sie ihn denn wirklich betrogen?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Vielleicht hat Mandy ja irgendeine Bemerkung gemacht …«
Theresa schüttelte den Kopf. »Sie hat nur was gefaselt, ›wie geil‹ sie es findet, dass wir uns endlich mal näher kennenlernen …«
»Hast du deshalb in der Küche geweint?«
»Ich hab Zwiebeln geschnitten.«
»Ja, klar.«
»Weshalb sollte ich sonst geheult haben?«, fragte Theresa.
Ben antwortete nicht. Er bemerkte, dass er immer noch die Kleinkaliberpistole in der Hand hielt, und stopfte sie zurück in seine Hosentasche.
»Ist die geladen?«
Ben sah Theresa ahnungslos an. Dann zog er die Pistole eilig wieder aus seiner Hose und begann im Treppenhaus nach einem besseren Versteck zu suchen.
Theresa zückte erneut ihr Handy.
»Was machst du?«
»Was wohl? Ich ruf noch mal diesen Arsch vom Schlüsseldienst an!«
Der Arsch vom Schlüsseldienst teilte Theresa mit, er sei unterwegs, könne aber noch nicht genau abschätzen, wann er bei ihnen eintreffen werde. Es seien noch zwei andere Kunden vorher dran.
»Fantastisch«, sagte Theresa. »Entweder wir erfrieren hier im Treppenhaus oder wir werden in der Wohnung dieser Psychopathen zu Mordzeugen gemacht.«
»Sie finde ich gar nicht so psychopathisch.«
»Ach?«
»Sie ist einfach noch jung und naiv und … du weißt schon.«
»Genau dein Typ?«
»Bist du etwa eifersüchtig?«
»Wär dir das recht?«
Ben sah Theresa entgeistert an.
Eine Zeit lang standen sie schweigend da. Ben hielt das nicht lange aus. »Vielleicht sollten wir irgendwas machen.«
»Irgendwas?«
»Na, uns bewegen.«
»Wie - durchs Treppenhaus joggen?«
Ben wandte verärgert seinen Blick ab. Durchs Fenster konnte er unten vor dem Haus seinen demolierten Wagen sehen. »Meinst du wirklich, die beiden sind versichert?«
»Ich glaub, ich krieg ne Erkältung«, sagte Theresa und betrachtete wieder verstohlen ihr Handy. Was Ben nicht verborgen blieb.
»Erwartest du noch irgendeinen Anruf?«
»Nein. Du?«
»Was soll das heißen?«, fragte Ben.
»Vergiss es.«
»Bitte?«
»VER-GISS ES«, wiederholte Theresa überdeutlich. »Warum bist du eigentlich so aggressiv?«
Theresa warf ihm einen ungläubigen Blick zu.
»Nicht erst heute. Schon die ganzen letzten Tage. Wochen sogar!«
»Darin bist du wirklich gut«, erwiderte Theresa mit einer Traurigkeit, die Ben unvermittelt traf. »Du drehst alles so um, dass ich am Ende die Schuldige bin.«
»Wann?«
»Na, schon die ganzen letzten Tage. Wochen sogar!«, wiederholte Theresa Bens Worte. »Eigentlich schon viel länger.«
Durchs Treppenhaus hallte das Geräusch einer sich öffnenden Tür. Ben und Theresa zuckten unwillkürlich zusammen, erkannten dann jedoch, dass es sich nicht um die Wohnungstür von Tommy und Mandy handelte. Stattdessen trat nun jemand aus der Wohnung unter ihnen ans Treppengeländer.
»Hallo?«
Ben und Theresa sahen sich erstaunt an.
»Frau Zacharias?« Theresa spähte über das Geländer zu der weit über achtzig Jahre alten Dame hinunter.
»Was machen Sie denn da oben?«
»Wir warten auf den Schlüsseldienst«, antwortete Ben.
Frau Zacharias lächelte. »Wollen Sie nicht lieber woanders warten?«
Als sie sich im Wohnzimmer von Frau Zacharias aufwärmten, mussten Ben und Theresa daran denken, dass sie seit ihrem Einzug vor sieben Jahren noch nie hier gewesen waren. Die wenigen kurzen Gespräche mit Frau Zacharias hatten vor der Wohnungstür oder im Treppenhaus stattgefunden. Daher wussten Ben und Theresa zwar, dass Frau Zacharias verwitwet war und einen Sohn und drei Enkelkinder hatte - aber mehr auch nicht. Irgendwie hatte sich ein engerer Kontakt nie ergeben. Genauso wenig wie zu den Vormietern von Tommys und Mandys Wohnung.
»So«, sagte Frau Zacharias und brachte auf einem Tablett heißen Tee und Plätzchen. Beeindruckend sicher machte sie dabei einen Bogen
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