Schneegestöber (German Edition)
Mary Ann entgegen: »Nun, ich denke, Miss Mary Ann, man hat Sie bereits von den skandalösen Vorfällen der heutigen Nacht unterrichtet«, sagte er, und sein Lächeln wirkte etwas unsicher. »Wir brennen darauf zu erfahren, ob das hohe Gericht bereite ein Urteil über uns gefällt hat.«
»Ach, Annie, so schau doch nicht so schockiert«, forderte Kitty ihre Freundin auf, bevor diese noch etwas äußern konnte. »Es ist doch nichts passiert.«
Mary Ann ließ sich auf einen der Stühle neben dem Kamin nieder. »Ich bin nicht schockiert«, erklärte sie, tapfer bemüht, ein Lächeln aufzusetzen. »Na ja, oder zumindest nur ein bißchen. Vor allem aber bin ich überrascht. Ich habe nie gedacht, daß ihr beide ein Tendre füreinander empfindet. Ihr habt doch immer gestritten.« Sie warf Kitty einen Blick zu, als hoffte sie, sie könne in den Zügen ihrer Freundin lesen, wie es wirklich um diese stand. »Und überdies, warum bist du noch im Bett? Mr. Finch wird bald heraufkommen, und ich fürchte, St. James auch. Ich halte es nicht für gut, wenn sie dich im Bett vorfinden.«
Dem konnte Al nur zustimmen: »Ja, wirklich, Missy«, sagte er und lächelte, als er bemerkte, wie seine Braut errötete. »Ich schau solange aus dem Fenster. Und Miss Mary Ann erzählt uns, was man im Frühstückszimmer über uns sprach. Wie will man mit den unmoralischen Dienern verfahren?«
Mary Ann war aufgestanden, um Kitty das Kleid zu geben, das außer ihrer Reichweite lag. »Man will euch auspeitschen und davonjagen«, verkünderte sie düster. »Es sei denn, ihr erklärt euch bereit zu heiraten. Mr. Finch will euch trauen. In der Kapelle. Hier in Bakerfield-upon-Cliffs. Aber da ihr natürlich nicht einverstanden sein könnt, müssen wir uns etwas ausdenken, wie wir am schnellsten von hier wegkommen. Eine verzwickte Geschichte, auf die ihr euch da eingelassen habt.«
Kitty hatte das Kleid über den Kopf gezogen, und Mary Ann half ihr, die Häkchen im Rücken zu schließen.
»Wir haben uns so etwas gedacht.« Al nickte. »Dennoch, wir sehen keinen Grund zu fliehen. Natürlich möchten wir sobald wie möglich von hier aufbrechen. Aber einer Heirat steht nichts im Wege. Wir wollten uns ohnehin vermählen.« Kitty war zu ihm getreten und hatte ihm mit liebevoller Geste beide Hände auf die Schultern gelegt. »Ja, Annie«, bestätigte sie mit strahlendem Lächeln, während sich Al ihr zuwandte und zärtlich zu ihr hinunterblickte. »Willst du meine Trauzeugin sein?«
Mary Ann war für einen Moment sprachlos: »Versteht mich recht«, stammelte sie schließlich, »nicht daß ich, …ich meine, ich will gewiß nicht… aber denkst du denn, Kitty, dein Vormund würde einer Hochzeit mit einem Nichtadeligen je zustimmend Ich meine, natürlich würde es dem arroganten Kerl nur recht geschehen, verzeihen Sie mir, Al, ich bin so durcheinander, daß ich gar nicht weiß, was ich sagen wollte.«
Al hatte den Arm um Kitty gelegt und schien nicht im geringsten böse zu sein. »Sie meinen, es würde St. James guttun, wenn seine hochmütige Art einen Dämpfer erhielte. Wenn sein Mündel unter seinen Augen einen Diener heiratet, und er würde es nicht einmal bemerken.«
Mary Ann nickte.
»Ich fürchte, daraus wird nichts«, erklärte er und grinste bedauernd. »St. James weiß, wer ich wirklich bin. Die einzige Überraschung, die ihm noch bevorsteht, ist die, daß Kitty sein Mündel ist. Er hält mich zwar zur Zeit noch für verrückt. Sobald er jedoch die Wahrheit kennt, nehme ich an, daß er uns zu unserer Hochzeit beglückwünscht.«
Mary Ann runzelte die Stirn: »Was weiß Stjames?« fragte sie. »Wer sind Sie wirklich, Al?«
»Annie, komm, setz dich nieder. Ich glaube, Al und ich sollten dir etwas erzählen.« Kitty drängte ihre Freundin auf den nächsten Stuhl. Dann begann sie zu berichten. Mit knappen Worten schilderte sie die Geschichte, die ihr ihr Verlobter erst letzte Nacht gebeichtet hatte.
Mary Ann war fassungslos: »Sie sind ein Viscounty Ein wahrhaftiger Viscount! Ich kann doch keinen Viscount von der Straße aufgelesen haben! Wo haben wir bloß unsere Augen gehabt, Kitty! Warum hatten wir nie den leisesten Verdacht! Einmal wunderte ich mich, welch tadelloses Englisch Sie sprechen konnten, aber sonst… Kein Wunder, daß Ihnen die Wirtin von der ›Blauen Ente‹ glaubte, Sie seien ein Lord. Nein, so etwas! Sie haben Ihre Rolle großartig gespielt. Sie waren ein perfekter Diener.«
»Vielen Dank.« Al verbeugte sich leicht. »Höre ich
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