Schneegestöber (German Edition)
Sir. Das Holz war’s nicht«, entgegnete er im breiten Yorkshire-Dialekt. »Und ich will ja die Kitty wirklich heiraten. Weil sie ein liebes Mädel ist. Sie haben doch nichts dagegen, Sir, Mylord?«
Der Viscount schenkte ihm noch einen letzten durchdringenden Blick: »Durchaus nicht«, sagte er schließlich. »Falls dies dein ernsthafter Wunsch ist, den du dir gut überlegt hat. Doch ich nehme an, das hast du.«
Al nickte.
»So soll es denn sein«, erklärte Seine Lordschaft. »Geh zu Mr. Finch und richte ihm aus, er hat die Erlaubnis, euch zu trauen. Die Zeremonie möge am heutigen Nachmittag stattfinden. Ich selbst werde zugegen sein. Du kannst jetzt gehen, Bursche.«
Al bedankte sich, machte auf der Stelle kehrt und verließ den Raum.
Die Nachricht, daß Kitty und Al heiraten würden, versetzte das Dienergeschoß in hellste Aufregung. Natürlich waren sowohl der ehrenwerte Mr. Shedwell als auch die strenge Mrs. Bobington empört darüber, daß man die zwei in einer Kammer angetroffen hatte. Doch diese Empörung war nichts gegen die Entrüstung, die sie darüber empfanden, daß Molly, die Spülmagd, nichts Besseres zu tun gehabt hatte, als Mr. Finch von diesem Vorkommnis in Kenntnis zu setzen. Wäre dies nicht geschehen, so hätte man den Vorfall auf sich beruhen lassen, und ein strenges Wort von Mr. Shedwell hätte Al Brown sicher in seine Schranken verwiesen. So jedoch war viel Staub aufgewirbelt worden und eine Aufregung entstanden, die dem Gesundheitszustand des alten Viscount sicher abträglich war. Und schließlich lag das Wohl des Hausherrn allen besonders am Herzen. Doch nun sollte also eine Hochzeit gefeiert werden. Und dies war alles in allem eine willkommene Abwechslung zum eintönigen Alltag. Frank, der eben in den Stall gehen wollte, um nach den Pferden zu sehen, als ihm diese Nachricht überbracht wurde, blickte mit unsicherem Blick zu Al Brown hinüber. Es war hoch anständig von diesem, daß er ihn nicht verraten hatte. War wirklich ein netter Bursche, dieser Al, wenn auchetwas sonderbar. Man wurde nicht schlau aus dem Kerl. Und natürlich war diese Kitty eine blitzsaubere Person, wenn sie auch manchmal Allüren an den Tag legte, als sei sie eine Noble. Doch heiraten – nein, das hätte er nie getan. Er schlief doch auch schon über ein Jahr, Nacht für Nacht, in Bettys Kammer. Und dennoch gehörte sein Lohn weiterhin zur Gänze ihm alleine. Doch Al schien gar nicht so unglücklich zu sein, daß er zu dieser Eheschließung gezwungen wurde. Er machte einen gelassenen, ja direkt fröhlichen Eindruck. Frank kratzte sich nachdenklich im Nacken und stapfte in Richtung Stall davon.
»Wir haben doch so hübsche Papierblumen für den Weihnachtsabend, Mrs. Bobington. Erlauben Sie mir, daß ich damit die Kapelle schmücke?« meldete sich Betty mit. schüchterner Stimme zu Wort. »Ach bitte, erlauben Sie es mir. Es wäre doch zu traurig, wenn die Braut m eine kahle Kapelle geführt würde.«
Mrs. Bobington wischte sich ihre Hände an der weißen Küchenschürze ab und erteilte dem Mädchen gnädig die Erlaubnis. Dann wandte sie sich an Kitty und erklärte mit der ihr eigenen schroffen Art von Freundlichkeit: »Ich muß oben noch irgendwo den Schleier haben, den die alte Gräfin anläßlich ihrer Hochzeit getragen hat. Ich bin sicher, Seine Lordschaft hat nichts dagegen, daß du ihn dir ausborgst. Komm mit, mein Kind, wir wollen sehen, wie wir eine würdige Braut aus dir machen.« Sie legte den Arm um Kittys Schulter und tätschelte ihr mit der anderen die Wange. »Du bleibst hier, Molly, und schrubbst das Geschirr«, befahl sie über die Schulter hinweg der blassen Küchenmagd. »Und wehe, es befinden sich noch Fettspuren im Topf oder Ruß am Boden der Pfannen, dann kannst du was erleben.« Mit energischem Griff schob sie Kitty zur Tür hinaus.
Al entschied sich, den Tag am besten damit zu verbringen, daß er seinen gewöhnlichen Tätigkeiten nachkam. Dann würden die Stunden bis zur Trauung schneller vergehen. Doch Mr. Finch, den er im Salon vorfand, als er Holz für den Kamin brachte, machte diesen Plan umgehend zunichte: »Da sind Sie ja, Bursche«, begrüßte er ihn, als er mit dem eisernen Korb, in dem die Buchenscheite gestapelt waren, eintrat. »Ich habe mir eben das Kirchenbuch geholt. Eine Schande istdas, wie ihr das christliche Haus entweiht, wie ihr die Sünde über die Schwelle getragen…« Er ging zu dem Diener hinüber, der sich eben hingekniet hatte, um Holz nachzulegen, und blickte
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