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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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sich Mary Ann sicher, daß sie nicht richtig gehört hatte. »Wenn er sich so wegwerfen würde?« wiederholte sie. »Er, er sich so wegwerfen würde?«
    Der Earl hob überrascht eine Augenbraue: »Das sagte ich doch deutlich und klar, meine Teure, oder etwa nicht? Wir wissen doch beide,was Kitty in Wirklichkeit ist, nicht wahr? Ich kann dir versichern, daß Al hoch über ihr steht.«
    Mary Ann war, als sehe sie den Earl mit völlig neuen Augen. Sie verbot sich, St. James mit einer schnippischen Bemerkung zu erwidern. Hatte sie bisher nicht gemerkt, was für ein eingebildeter Mensch St. James in Wahrheit war? Hur weil er Kitty für eine Detektivin hielt, fand er, ein Stallknecht sei ihr haushoch überlegen? Oder war er etwa der Meinung, niemand könne eine Frau, die einer geregelten Arbeit nachging, heiraten wollen? Nicht einmal ein Stallknecht? Nun, sie war sich zu gut, auf diesen Unsinn zu antworten. Sie mußte umgehend mit Kitty sprechen. Was konnte bloß dran sein an der unglaublichen Geschichte? Vielleicht gab es eine harmlose Erklärung, warum Al seine Hosen in Kittys Zimmer anzog? Sie überlegte, allein es fiel ihr keine harmlose Erklärung ein. Al hatte St. James gegenüber erklärt, er wolle Kitty heiraten. Das war tatsächlich seltsam. Wollte Kitty ihn denn auch heiraten? Wenn das tatsächlich der Fall war, dann würde sie nichts tun, um zu verhindern, daß diese Ehe tatsächlich geschlossen wurde. Wenn Kitty es so wollte, sollte sie den Stallknecht heiraten. Sie blickte zum Earl hinüber, der mit unbewegtem Gesicht in Gedanken versunken vor sich hinstarrte. Wie erhaben er sich fühlt, dachte sie. Wie unendlich erhaben und dünkelhaft. Sie fühlte Schadenfreude wie einen Triumph in sich aufsteigen. Was für ein Skandal, wenn Kitty tatsächlich Al Brown heiratete. Was für ein Affront gegenüber dem hochmütigen Earl. Sein Mündel heiratet einen Stallknecht. Und das vor seinen eigenen Augen. Da würde es ihm verflixt schwerfallen, diese Heirat nachträglich, wenn er einmal die Wahrheit kannte, für ungültig erklären zu lassen. Welch willkommene Lehre für seine eingebildete, hochfahrende, selbstgerechte, verabscheuungswürdige Arroganz.
    Al ging in Kittys Zimmer auf und ab wie ein wildes Tier im Käfig. Molly hatte, einen Skandal witternd, die beiden eingesperrt, und niemand im Haus dachte daran, sie aus ihrem Gefängnis zu befreien.
    »Wie konnte mir das nur passieren?« fragte Al nicht zum erstenmal und ballte seine Hände zu Fäusten. »Es tut mir so leid, Missy. Ich habe noch nie verschlafen. Noch nie seit ich diese dumme Dienerlaufbahneingeschlagen habe. Und nun ausgerechnet heute…« Zum Unterschied von Kitty, die noch immer in ihrem Bett saß, die Decke bis zum Kinn hinaufgezogen, war Al vollkommen angezogen. Sein Schnupfen schien sich etwas gebessert zu haben. Auch seine Stimme klang nicht mehr so rauh wie am Tag zuvor. »Wenn ich nur wüßte, was da unten im Gange ist. Was für eine verdammt verzwickte Situation.« Er schwieg und blickte gedankenvoll aus dem Fenster in der Hoffnung, es würde ihm ein Ausweg einfallen.
    Kitty betrachtete versonnen seine großgewachsene, durchtrainierte Gestalt. Er war wirklich ein gutaussehender Mann, ihr Alexander. Sie hatte beschlossen, ihn in Gedanken Alexander zu nennen. Der Name Al hatte ihr nie gefallen. Daß er, ihr Diener Al Brown, der Sohn eines Herzogs sein sollte, das war wirklich unglaublich. Fast zu schön, um wahr zu sein. Was konnte ihr da schon anhaben, daß man sie dabei erwischt hatte, wie sie gemeinsam in einem Zimmer übernachteten? Sollten sich doch die anderen den Mund zerreißen. Sollten sie sich empören, soviel sie nur wollten. Ihr war das egal. Was scherte sie die Meinung irgendwelcher Aldwins oder die eines alten Pfarrers, der halb blind war und nichts als aus dem Zusammenhang gerissene Zitate aus der Bibel von sich gab? Sie wäre auch gerne aufgestanden, doch sie wagte nicht, im Nachthemd aus dem Bett zu steigen. Gestern, als sie sich ausgekleidet hatte, war es bereits dunkel gewesen. Ob sie Al wohl bitten könnte, sich umzudrehen, dachte sie errötend.
    »Wenn ich nur wüßte, was sie vorhaben«, wiederholte Al nachdenklich. »Ich könnte Molly, dieses dumme Ding, erwürgen. Warum mußte ausgerechnet sie heraufkommen, um dich zu wecken? Normalerweise ist doch Betty für diese Aufgaben zuständig. Und die hätte sich gehütet, unser Geheimnis preiszugeben.«
    Kitty zuckte mit den Schultern: »Ja, das glaube ich auch«, bestätigte sie.

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