Schneegestöber (German Edition)
Rosatönen gestickt worden waren. Ein Motiv war beim besten Willen noch nicht zu erkennen.
»Es soll ein Kissen für mein Zimmer zu Hause werden, über und über mit Rosen bestickt Finden Sie das hübsch?«
»Sehr hübsch. Doch noch viel hübscher finde ich Sie, Miss Aldwin«, antwortete der Earl und legte ein wohldosiertes Timbre in seine Stimme. Das hatte noch nie die Wirkung bei Damen verfehlt. Doch heute war nicht Mylords Glückstag. Wider Erwarten war Paulina weit davon entfernt, dieses Kompliment entsprechend zu würdigen: »Ja, das stimmt«, erklärte sie ruhig. »Obwohl Mama meint, ich hätte besser getan, ihre Nase zu bekommen. Ich habe Papas Nase geerbt, wie Sie vielleicht schon gemerkt haben, Mr. Rivingston. Und diese ist etwas kurz.«
Diese Worte hätten Mylord beinahe aus dem Konzept gebracht. »Ich finde Ihre Nase entzückend«, meinte er, um das Thema abzuschließen. »Doch nun gestatten Sie mir bitte, daß ich die Gelegenheit nütze, mit Ihnen über die Zukunft zu sprechen. Dazu ist es nötig, daß ich Ihnen die Wahrheit…«
Doch Paulina ließ ihn nicht aussprechen. Zwar hatte sie sich von ihm zu dem breiten Lehnsessel führen lassen und dort auch gehorsam Platz genommen, doch nun unterbrach sie ihn mit großen Augen: »Über die Zukunft, Sir? Sie möchten über meine Zukunft mit mir sprechen?«
St. James hatte sich nicht niedergesetzt, da er seinen Antrag lieber im Stehen vorbringen wollte. Über ihre Unterbrechung war er alles andere als erfreut: »So ist es, Miss Aldwin«, erwiderte er steif. »Obwohl korrekterweise…«
»Ich werde nach London gehen und mein Debüt geben«, unterbrach sie ihn abermals, »das habe ich Ihnen doch bestimmt schon erzählt, Sir. Onkel Frederick, der Bruder meiner lieben Mama, Lord Frederick Woolwich, hat versprochen, einen Ball für mich auszurichten. Und Mama ist sicher, daß ich Karten für den Almacks Club erhalten werde, da ich ja aus einer erstklassigen Familie…«
»Miss Aldwin!« Die Stimme Seiner Lordschaft klang fast ein wenig ungehalten. »Würden Sie wohl die Freundlichkeit haben, mir zuzuhören! Natürlich sollen Sie Ihr Debüt haben, einen eigenen Ball und alles, was Sie sich wünschen…«
»Alles; was ich mir wünsche?« wiederholte Paulina erstaunt.
St. James ließ ein ungeduldiges Schnauben hören. Wollte ihn das Mädchen nicht verstehen, oder war sie tatsächlich so schwer von Begriff? Es war besser, er brachte den Antrag hinter sich, bevor er ernsthaft die Geduld verlor. Er atmete tief durch und bemühte sich um ein betörendes Lächeln: »Wäre es nicht schön, wenn wir diese erfreuliche Zukunft gemeinsam verbringen würden?«
»Gemeinsam? Heißt das, Sie kommen auch nach London?« Sie klatschte in die Hände. »Fein. Es ist immer nett, wenn man ein bekanntes Gesicht wiedertrifft. Ich werde Mama um die Erlaubnis bitten, Ihnen eine Einladung zum Ball schicken zu dürfen. Obwohl…« Sie überlegte und fuhr schließlich mit betrübtem Gesicht fort: »Ich hoffe, Onkel Frederick hat nichts dagegen einzuwenden. Er ist ein Viscount, wie Onkel Robert, aber nicht so leutselig, wenn Sie wissen, was ich meine. Er verkehrt nur mit dem Hochadel.«
Der Earl nickte: »Gewiß. Doch ich versichere dir, Lord Woolwich wird mit Freuden mein Kommen erwarten, Paulina. Darf ich dir nun endlich das sagen, was ich schon so lange möchte…«
Mit Erstaunen stellte er fest, daß sein Gegenüber aufgesprungen war: »Paulina!« rief sie aus. »Ich kann mich nicht erinnern, daß ich Ihnen die Erlaubnis gegeben habe, mich beim Vornamen anzusprechen. Oh, Mama hatte recht!«
Sie griff nach ihrer Stickerei und eilte fluchtartig zur Tür: »Erst locken Sie mich hierher in diesen abgelegenen Raum, dann schließen Sie auch noch die Tür, obwohl Sie wissen, daß das ganz und gar nicht den Konventionen entspricht, und nun wagen Sie es auch noch, mich zu beleidigen!« Sie hatte bereits die Hand an der Türklinke. »Ich fühle mich ja so gedemütigt.«
St James blickte mit zusammengepreßten Lippen zu ihr hinüber. Seine Wangen waren unnatürlich weiß geworden: »Sie beleidigt?« wiederholte er mit hochgezogenen Augenbrauen. »Inwiefern sollte ich Sie beleidigt haben, Miss?«
Paulina war stehengeblieben, nun doch unsicher geworden, ob ihre Reaktion die richtige gewesen war. »Sie haben mich Paulina genannt, Sir«, erklärte sie und schluckte. »Mama hat mir erklärt, daß fremde Männer dann den Vornamen einer Dame verwenden, wenn sie ihr einen Antrag machen wollen. Und
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