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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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es an die erste Kerze. Dann an die zweite. Gedämpftes Licht erhellte das Innere der Hütte. Ein kalter Windstoß fuhr ihm ins Gesicht. Schnell zog er die geheime Tür hinter sich zu. Die Hütte war zweckmäßig, aber sehr spartanisch eingerichtet. Der Kamin machte nicht den Eindruck, als sei dort in den letzten Wochen ein Feuer angezündet worden. Und doch lag ausreichend Brennholz ordentlich gestapelt neben der Feuerstelle. Im hinteren Eck der Hütte fanden sich eine Reihe von Strohsäcken, die wohl als Nachtlager dienen konnten. Er öffnete den mannshohen Schrank, begierig zu erfahren, was dieser beinhalten würde. Doch zu seiner Enttäuschung war der Schrank leer. Ein lautes Klopfen an der Eingangstür ließ ihn erschreckt zusammenzucken. Wer konnte das sein? Hatte ihn jemand dabei beobachtet, wie er in die Hütte eingedrungen war? Oder war dies am Ende jemand, der jemand ganz anderen in der Hütte vermutete? Es war zu peinlich, wenn man ihn hier vorfand. Er hatte ja nicht einmal eine plausible Erklärung dafür, was er hier zu suchen hatte. Auf Zehenspitzen, um keinen Laut zu verursachen, schlich er sich zur schmalen seitlichen Eingangstür. Er blies die Kerzen aus und trat ins Freie. Vorsichtig, einen Fuß nach dem anderen langsam in den Schnee setzend, schlich er an der Hüttenwand entlang.
    Ein neuerliches Klopfen war zu vernehmen und eine weibliche Stimme, die rief: »Hallo, St. James. Bist du hier drinnen?«
    Der Earl zog scharf die Luft ein. Diese Stimme kannte er. Sie gehörte ohne Zweifel Mary Ann Rivingston. Erleichtert atmete er auf. Sie war ihm also tatsächlich gefolgt. Ein kleines Lächeln erschien auf seinen Lippen. Sie war ihm gefolgt. Und das freute ihn. Mit einem weiten Satz sprang er um die Hausecke und packte sie mit beidenHänden an der Schulter. Mit dieser Attacke hatte das Mädchen nicht gerechnet. Sie ließ einen erschrockenen Aufschrei hören, verlor das Gleichgewicht und fiel rücklings in den weichen Schnee. Im Fallen hatte sie sich hilfesuchend an ihren Angreifer geklammert. Und ehe es dieser verhindern konnte, riß sie ihn mit sich zu Boden. Da lagen sie nun und waren beide einigermaßen fassungslos. Wer von ihnen als erster zu lachen begann, konnten sie nachher nicht mehr sagen. Sicher war jedoch, daß Mary Ann den ersten Schneeball formte, um ihn nach ihrem Widersacher zu werfen, der sich eben, von Lachen geschüttelt, mühsam auf die Beine stellen wollte. Das konnte dieser natürlich nicht unbeantwortet lassen. Und ehe sie sich’s versahen, war eine regelrechte Schneeballschlacht im Gange.
    »Aber Miss Bivingston!« rief St. James schließlich keuchend, »benimmt sich so eine Dame?«
    »Ich bin keine Dame!« entgegnete Mary Ann, ebenso mühsam nach Luft ringend. »Wissen Sie es denn nicht mehr: Ich bin eine Frau aus dem Volke.«
    Er schüttelte den Schnee von den Handschuhen und öffnete und schloß seine klammen Finger: »Nein, bist du nicht«, sagte er ernst.
    Nun blieb auch ihr das Lachen im Hals stecken: »Böse?« fragte sie kleinlaut.
    Der Earl verzog keine Miene: »Ich werde es mir überlegen«, sagte er schließlich.
    Mary Ann atmete erleichtert auf. Das klang ja gar nicht einmal nach der Empörung, mit der sie gerechnet hatte. Er reichte ihr die Hand: »Komm mit mir, ich zeige dir etwas. Diese Hütte hat eine ganz raffinierte Geheimtür. Wir werden uns ein schönes Feuer im Kamin anzünden, dann kannst du dir deine Hände und Füße wärmen, die sicher halb erfroren sein müssen. Und dabei erzählst du mir haargenau, was du damals wolltest, als du mich in London aufgesucht hast. Und wie es dazu kam, daß du dich als Detektivin ausgegeben hast.«
    Gegen diesen Plan hatte Mary Ann nicht das geringste einzuwenden. Und so saßen sie bald einträchtig auf zwei Strohsäcken neben dem prasselnden Feuer. Beide hatten die durchnäßten Stiefel ausgezogen und streckten nun ihre bestrumpften Füße einmütig der Wärme entgegen.Es war ruhig und gemütlich, und beide genossen es, ungestört miteinander zu plaudern. Und sie waren so in ihr Gespräch vertieft, daß sie gar nicht merkten, daß die Sonne am Horizont verschwunden und der Tag der Nacht gewichen war.
    Sie wären noch länger so einmütig beisammengesessen, hätte sie nicht ein ärgerlicher Fluch von außerhalb der Hütte abrupt unterbrochen. Mit einer katzenhaften Bewegung war der Earl auf den Beinen. Er griff nach einem Holzscheit und ging neben der Seitentür in Dekkung, bereit, jeden etwaigen Angreifer mit einem Schlag

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