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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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zwar einen ehrenhaften oder einen unehrenhaften. Und Mama hat doch recht, Sir, nicht wahr? Sie waren eben dabei, mir einen Antrag zu machen. Darum sprachen Sie von meiner Zukunft, meinen Wünschen und all das…« Sie war so autgeregt, daß rote Flecken auf ihre Wangen traten und daß sie kaum noch verständlich sprechen konnte.
    »Bitte fahren Sie fort, Miss Aldwin«, gebot der Earl emotionslos. »Ich sehe noch nicht, wie Sie meine Worte beleidigen konnten.«
    »Nicht beleidigen?« rief Paulina aus. »Sie sind doch nur ein Bastard, und ich bin eine Lady. Und da soll mich Ihr Antrag nicht beleidigen!« Sie brach in Tränen aus, und einen Moment lang hatte es den Anschein, als würde ihr die Stickerei aus der Hand gleiten. »Mama hatte ja so recht: Sie sind ein schändlicher Mitgiftjäger, der versucht, Anschluß an die noble Gesellschaft zu finden. Erst haben Sie sich bei Onkel Robert eingenistet, sagt Mama, und nun wollen Sie mich umgarnen. Weil ich aus einer erstklassigen Familie komme und eine Lady bin. Darum haben Sie mir einen Antrag…«
    Mit versteinertem Gesicht war St. James näher gekommen: »Antrag?« wiederholte er, und seine Stimme klang kalt. »Ich habe Ihnen keinen Antrag gemacht, Miss Aldwin. Und ich bedaure bereits heute den Mann, der dies tun wird. Eine erstklassige Familie, Miss, macht noch keine Lady aus einem verwöhnten Mädchen. Dazu bedarf es einer guten Kinderstube und des Stils, Miss Aldwin. Vor allem des Stils. Sie gestatten?«
    Er schlug die Hacken zusammen, verbeugte sich korrekt und ließ sie stehen.

XXIV.
    Mary Ann war unruhig. Nur mit halbem Ohr hörte sie die salbungsvolle Ansprache, die Butler Shedwell für das Brautpaar hielt. Sie prostete Kitty und Al mechanisch zu, ein stets gleichbleibend freundliches Lächeln auf ihren Lippen. Doch in Wahrheit war sie mit ihren Gedanken weit weg von der Szene, die sich vor ihren Augen abspielte. Sie sah St. James vor sich, wie er ihr mit zusammengekniffenen Lippen nachgestarrt hatte. Es war nicht richtig, ihn in der zugigen Eingangshalle so brüsk zurückzulassen. Er hatte eine Erklärung gefordert. Und er hatte alles Recht dazu. Es war an der Zeit, daß sie ihm reinen Wein einschenkte. Mary Ann erschauderte. Besser, sie zögerte nicht mehr länger. Mit lautem Klirren stellte sie ihr Glas auf den Küchentisch. »Wenn ihr mich jetzt entschuldigen wollt.« Sie lächelte Kitty noch einmal zu und hätte sie gerne in die Arme genommen, um sie auf beide Wangen zu küssen. Doch natürlich war dies vor der Dienerschaft nicht möglich. Es erschien dieser seltsam genug, daß die vornehme Lady sich zu ihnen in die Küche gesellt hatte, um auf das Wohl ihrer Dienstboten anzustoßen. Frank öffnete ihr die Tür, und sie rauschte mit geschürzten Röcken nach draußen.
    Mit raschen Schritten eilte sie die Treppe in das Erdgeschoß zurück. Ob St. James in der Bibliothek war? Sie konnte sich nicht vorstellen, daß er sich in der Stimmung befand, mit den Aldwins über Nichtigkeiten zu plaudern. Da fiel ihr Blick aus dem hohen Spitzbogenfenster des Treppenhauses nach draußen, und sie blieb unvermittelt stehen. Eine einsame, großgewachsene Gestalt stapfte durch den Schnee. Sie schritt zügig den schmalen Weg entlang, den Frank jeden Tag freischaufelte. Nach wenigen Augenblicken war sie hinter der Weggabelung verschwunden. Trotz des dicken Kutschermantels und des breitkrempigen Huts hatte Mary Ann den einsamen Wanderer sofort erkannt. Es war ohne Zweifel der Earl of St. James. Wohin mochte er gehen? Was suchte er in der einsamen Stille des verlassenen, verschneiten Parks? Ohne zu zögern eilte sie auf ihr Zimmer. Sie riß die Türen ihres wuchtigen Kleiderschrankes auf und holte ihr wärmstes Reisekleid vom Haken. Ein dickes graues Gewand aus gewirkter Wolle mit doppeltem Kragen und einem schwer zu Bodenfallenden Rock. Zum erstenmal war sie John dafür dankbar, daß er für warme, derbe Stiefel gesorgt hatte. Ein Wollmantel und ein Hut, der die Ohren bedeckte, wenn man die Bänder unter dem Kinn zu einer Schleife band, vervollkommneten die zweckmäßige Garderobe.
    Es würde ihr nicht schwerfallen, den Earl zu finden. Sie brauchte nur den Abdrücken der großen Stiefel im Schnee zu folgen. Rasch griff sie nach ihren pelzgefütterten Handschuhen und eilte die Treppe hinunter in die Halle zurück.
    Die Dienerschaft war noch immer vollzählig im Küchentrakt versammelt, und so blieb es ihr überlassen, selbst die schwere Eichentür zu öffnen. Der Riegel war

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