Schneegestöber (German Edition)
dunkelgrüne Wolldecke gehüllt. Sein Gesicht war blaß, und wirkte müde. In seinen Augen jedoch brannte ein Feuer, als würde er sich für eine Schlacht rüsten. Eine Schlacht, die er zu gewinnen beabsichtigte.
Der Offizier schlug abermals die Hacken zusammen, und auch seine Untergebenen salutierten: »Leutnant Mason, Sir. Vom siebten Regiment. Wir sind auf der Suche nach einem gewissen Mr. Flowers. Wir haben Grund zu der Annahme, daß er als das Haupt einer Schmugglerbande in dieser Gegend sein Unwesen treibt.«
Der Viscount neigte den Kopf und hörte interessiert zu, sagte jedoch kein Wort.
»Und wir haben den dringenden Verdacht, daß es sich bei diesem Mann…«, Mr. Mason sprach nun mit zunehmendem Eifer und zeigte mit anklagender Geste auf St. James, »…um den gesuchten Mr. Flowers handelt. Und darum sind wir hergekommen, Eure Lordschaft.
Würden Sie wohl die Güte haben, uns den Namen dieses Mannes zu nennen.«
»Aber natürlich habe ich die Güte, Leutnant«, antwortete der alte Herr mit grimmigem Lächeln. Mary Ann hielt die Luft an.
»Einen Augenblick, Mylord!« unterbrach ihn St. James und trat einige Schritte vor. Sofort waren zwei Soldaten wieder an seiner Seite. »Ich muß…«
Lord Bakerfield hob abwehrend seine knochige Hand: »Später, mein Lieber, später. Zuerst hat der Offizier das Recht auf eine Antwort. Also Leutnant: Es handelt sich hier um Seine Lordschaft Justin Tamworth, den Earl of St. James. Seine Lordschaft ist Gast in meinem Haus. Und ich liebe es nicht, wenn meine Gäste belästigt werden. Von wem und aus welchem Grund auch immer. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?«
Mr. Masons Wangen waren stark gerötet. Von diesen strengen Worten eingeschüchtert, beeilte er sich zu salutieren: »Sehr wohl, Eure Lordschaft. Entschuldigen Sie, Sir.« Er wandte sich an St. James: »Und auch an Sie, Eure Lordschaft, meine Entschuldigung. Aber Sie wissen, der Schmuggel…«
»Wir wissen«, unterbrach ihn der Viscount. »Shedwell, die Herren möchten gehen.«
Die Soldaten salutierten noch einmal. »Wenn Sie etwas Verdächtiges wahrnehmen, Sir, darf ich damit rechnen, daß Sie uns verständigen?« beharrte Mr. Mason. Ein kalter Luftzug fuhr in die Halle. Shedwell hatte das Portal weit aufgerissen.
»Werde ich, seien Sie versichert. Ich werde Ihnen dieselbe Hilfe und Unterstützung angedeihen lassen, wie ich sie der Zollwache in der Vergangenheit angedeihen ließ«, erklärte der Viscount. Damit mußte sich Mr. Mason zufriedengeben.
Als die Soldaten die Halle verlassen hatten, senkte sich Schweigen über die Anwesenden. St. James trat zum Rollstuhl seines Hausherrn: »Ich weiß, ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig«, unterbrach er die Stille.
»Gewiß sind Sie das«, antwortete der Viscount und hob abermals abwehrend seine zitternde Hand. »Aber nicht heute. Ich bin müde, St. James. Morgen ist auch noch ein Tag.«
»Der Tag ist zu Ende, wir wollen nicht schwätzen, sondern beten«, sagte Mr. Finch, der immer das letzte Wort haben mußte. Dann schob er seinen Gastgeber in seine Gemächer.
Die in der Halle Zurückgebliebenen starrten gebannt auf die geschlossene Tür. Irrten sie sich, oder hörten sie tatsächlich schallendes Gelächter, das sich langsam von ihnen wegbewegte?
St. James drehte sich fassungslos zu Mr. Shedwell um, doch keine Regung im Gesicht des ehrwürdigen Butlers ließ erkennen, ob er dieses seltsame Geräusch ebenfalls vernommen hatte. »Ihren Mantel, wenn ich bitten darf, Sir.« Er nahm St. James Umhang und Hut ab. »Wenn es Ihnen recht ist, Sir, so werde ich in Kürze einen Imbiß für Eure Lordschaft und Miss Rivingston richten lassen. Es sei denn, Sie haben bereits auswärts gespeist.«
»Oh, das wäre uns sehr recht.« St. James lächelte dankbar. »Ich habe tatsächlich großen Hunger. Du bist doch einverstanden, Mary Ann?«
Diese hatte die Bänder ihres Hutes aufgeknöpft, ihn abgenommen und schüttelte nun ihre vom Schnee nassen Locken: »Das wäre sehr freundlich«, stimmte sie zu. Dann eilte sie hinauf auf ihr Zimmer, um sich für das Abendessen zurechtzumachen. St. James beeilte sich, es ihr gleichzutun.
Als er eine gute Viertelstunde später, korrekt für ein ländliches Abendessen gekleidet, in das vollgeräumte Wohnzimmer zurückkam, fand er dieses zu seiner Erleichterung nahezu menschenleer vor. Es schien, als hätten sich nicht nur der Hausherr und Mr. Finch, sondern auch die Aldwins bereits zurückgezogen. Mary Ann war noch nicht wieder
Weitere Kostenlose Bücher