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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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zu Boden zu schicken. »Hab keine Angst, meine Liebe«, flüsterte er Mary Ann zu. »Am besten, du gehst nach hinten zu den Strohsäcken. Und blase vorsichtshalber die Kerzen aus.«
    Mary Ann beeilte sich, seinem Rat zu folgen. Keinen Augenblick zu spät. Da wurde auch schon die Seitentür aufgestoßen, und eine kleingewachsene Gestalt in rehledernen Hosen und kniehohen Stiefeln betrat den Raum. Der schwere Umhang glitt von den schmächtigen Schultern. Das Gesicht unter dem rehbraunen breitkrempigen Hut war von einer schwarzen Maske verdeckt. »Was soll denn das, ihr Idiotenpack!« rief die fremde Gestalt aus und zündete die Kerze wieder an, die Mary Ann soeben ausgeblasen hatte. »Wie konntet ihr nur den Kamin anheizen? Wollt ihr uns die Rotröcke auf den Hals hetzen, ihr verdammten…«
    Mary Ann starrte entsetzt zur Tür: Die Stimme, die ungeniert Schimpfworte von sich gab, gehörte ohne Zweifel einer Frau. Doch ihr Erstaunen war nichts gegen die Fassungslosigkeit, die St. James erfaßt hatte. Er ließ den Prügel sinken und starrte offenen Mundes auf das Wesen, das sich nun wutentbrannt, die Hände in die Taille gestützt, ihm zuwandte.
    »Silvie«, entfuhr es ihm entgeistert.
    Nun war auch die Fremde fassungslos: »St. James. Eure Lordschaft«, flüsterte sie und riß sich mit geübtem Griff die Maske vom Gesicht. »Wie um alles in der Welt kommst du hierher? Was machst du in meiner Hütte?«
    Mary Ann war von ihrem Strohsack aufgesprungen: »Sie sind Lady Silvie?« vergewisserte sie sich und kam langsam näher. »Das ist Lady Silvie? Lady Silvie Westbourne?« wandte sie sich fragend an denEarl. Sie konnte es nicht glauben. Doch St. James nickte. »Das ist Lady Silvie?« wiederholte sie abermals: »Die zarte, schwache, feenhafte Lady Silvie? Das wunderbare Geschöpf der ersten Kategorie…«
    Silvie war kurz abgelenkt: »Was für einer Kategorie?« erkundigte sie sich.
    »Sei sofort still, Mary Ann«, befahl der Earl.
    Miss Westbourne, die Mary Ann von oben bis unten gemustert hatte, wandte sich nun wieder ihm zu: »Was macht ihr beiden in meiner Hütte?« wiederholte sie ihre Frage.
    St. James zuckte betont beiläufig mit den Schultern: »Wir wärmen uns auf, wie du siehst. Wir sind im Schnee naß geworden.«
    »Naß geworden?« erkundigte sich Miss Westbourne. »Wie denn das? Es hat doch den ganzen Tag über nicht geschneit.«
    St. James machte eine abwehrende Handbewegung: »Das hat Zeit bis später. Zuerst gibt es Wichtigeres zu klären, meinst du nicht auch? Wo du die ganze Zeit gewesen bist, zum Beispiel. Und warum du mich vor dem Altar einfach hast stehenlassen. Und dann möchte ich auch gerne wissen, was dieser seltsame Aufzug soll. Gibt’s hier irgendwo ein Kostümfest, oder…« Er verstummte. Da war er wieder, da war er wieder, dieser Pfiff. Diese Melodie, die er bei seiner Trauung gehört hatte und später noch einmal auf Bakerfield-upon-Cliffs.
    Silvie ließ einen leisen Fluch vernehmen. »Soldaten!« zischte sie. »Rotröcke. Verdammt, ich muß die anderen warnen.« Sie eilte zu dem Schrank an der hinteren Wand der Hütte, den St. James bereits inspiziert hatte. Mit geübtem Griff öffnete sie die Tür und stieg hinein: »Stell keine Fragen, St. James«, forderte sie ihn auf. »Ich muß dich jetzt um einen Gefallen bitten…«
    »Im Namen des Königs, öffnen Sie die Tür!« befahl eine energische männliche Stimme von der Vordertür her.
    Silvie warf St. James einen Schlüssel zu: »Da!« rief sie. »Sperr damit die Tür auf. Aber zuerst schließ bitte die Schranktür, und sperr sie ab. Erwähne auf keinen Fall die Seitentür. Und vergiß nicht, du hast mich nie hier gesehen. Ich verlasse mich auf dich, St. James, bitte.« Sie verschwand im Schrank. Der Earl eilte herbei und schloß die Tür zu.
    »Habe ich dein Wort?« vergewisserte sich Silvie flüsternd. Ihre Stimme klang gedämpft durch die geschlossene Schrankwand.
    »Habe ich das deine, daß du all meine Fragen beantworten wirst, wenn wir uns wiedersehen? Und daß dieses Wiedersehen heute, spätestens morgen stattfindet? Habe ich dein Wort, daß du nicht wieder verschwindest?« fragte der Earl zurück, der seinen Mund nahe an die Schranktür hielt.
    An der Vordertür wurde energisch gerüttelt: »Im Namen des Königs!« wiederholte die Stimme.
    »Wenn es denn sein muß, du hast mein Wort«, erklang es dumpf aus dem Schrank.
    Der Earl lächelte befriedigt. »Dann hast du auch das meine.« Er drehte den Schlüssel des Schrankes um und

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