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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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müssen Sie beim Postamt sein. Und sagen Sie niemandem, daß wir uns hier getroffen haben. Ich verlasse mich auf Sie.«
    »Natürlich sage ich das keinem, Madam. Ich werde tun, was Sie mich geheißen haben.« Er hob grüßend die Hand zur Mütze und machte sich rasch auf den Weg in die Stadt. Sein Gang war nun nicht mehr so gehetzt wie vorher, obwohl er zügig voranschritt. Und Mary Ann war sich nicht sicher, ob sie ihn nicht ein Lied pfeifen hörte. Sie sah ihm nach, bis er kurz darauf in einen Fußweg einbog, auf dem man allem Anschein nach die Stadt rascher erreichen konnte. Keinen Augenblick zu früh. Denn in diesem Moment wurde die kleine Gestalt des Kutschers hoch zu Roß sichtbar. Neben ihm ritt eine massige, hochgewachsene Person, bei der es sich nur um den Schmied handeln konnte.
    Der Besuch bei der Schneiderin gestaltete sich kürzer und bei weitem weniger angenehm, als Mary Ann sich das vorgestellt hatte. Eine mürrische ältere Angestellte nahm den Umhang von Mrs. Clifford entgegen und erklärte schroff, daß es sich bei dem alten Mantel gar nicht mehr lohne, neue Knöpfe anzunähen. Sie riet Mary Ann, das Kleidungsstück zu zerschneiden und zum Polieren von mit Wachs eingelassenen Holztischen zu verwenden. Als Mary Ann auf ihrem Auftrag bestand, schnappte die Bediente den Umhang und warf ihn achtlos über einen bereits überfüllten Kleiderständer. Das Benehmen der Angestellten änderte sich erst, als Mary Ann es für angebracht hielt, Kittys Namen zu erwähnen und nach Mrs. Millcock persönlich zu fragen. Kitty war eine Stammkundin dieses Salons, bereit, für gewagte Kreationen, die nach den Entwürfen des Lady’s Journal geschneidert wurden, außerordentliche Preise zu bezahlen. Mrs. Millcock ließ nicht lange auf sich warten. Mit ausgestreckten Armen kam sie aus einem der hinteren Zimmer und begrüßte Mary Ann überschwenglich:»Meine liebe Miss Rivingston, welche Freude, Sie hier zu sehen. Ist Miss Stapenhill mit Ihnen gekommen?« Sie versank in einen kleinen Knicks.
    »Nein«, erwiderte Mary Ann nach der Begrüßung. »Diesmal bin ich es, die Ihrer Hilfe bedarf. Ich möchte mir ein Ballkleid schneidern lassen. Kitty, ich meine Miss Stapenhill, riet mir zu dem mit Gold durchwirkten Stoff, den sie ihr letztens gezeigt haben. Sie meinte, ein Oberteil mit Perlenstickerei müßte mir gut stehen. Und dann ist da noch ein Problem, Miss Millcock. Ich würde das Kleid bereits am Samstag benötigen.«
    Die Schneiderin hatte bei Mary Anns Worten skeptisch die Brauen gerunzelt: »Die Zeit soll kein Problem sein«, sagte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung und bat Mary Ann, ihr zu folgen. »Da sie eine Freundin der lieben Miss Stapenhill sind, meine Liebe, sind wir selbstverständlich bereit, Überstunden zu machen. Wieviel, sagten Sie, wollten Sie für die Toilette ausgeben?« Mary Ann schüttelte ihre gesamte Barschaft auf den kleinen achteckigen Mahagonitisch. Mit geschickten Fingern zählte Mrs. Millcock die Scheine. »Das ist nicht allzuviel«, meinte sie schließlich und wiegte überlegend ihren Kopf, auf dem die grauen Haare zu Zöpfen geflochten wie eine Krone aufgesteckt waren. »Allein der Stoff mit den Goldfäden kostet mehr, als Sie zur Verfügung haben. Das soll uns aber nicht weiter stören, Miss Rivingston«, fügte sie hinzu, als sie Mary Anns enttäuschte Miene bemerkte. »Ich denke nicht, daß Smaragdgrün die richtige Farbe für Sie wäre. Es scheint mir eine viel zu auffallende Couleur zu sein. Zu Ihren roten Haaren geradezu vulgär. Nein, ich habe hier einen Ballen schwerer Seide in einem dunklen Mitternachtsblau.« Sie wandte sich ab und zog aus einem Berg von Stoffen einen schlichten, fast schwarzen Ballen hervor. Sie wickelte einige Meter Stoff ab und breitete ihn vor Mary Ann aus: »Na, was sagen Sie dazu, meine Liebe. Das gibt eine elegante Robe ab, die Ihre Vorzüge optimal zur Geltung bringt.«
    Mary Ann war so enttäuscht, daß sie kaum ein Wort hervorbrachte. Auch die Modellzeichnungen, die die Schneiderin nun vor ihr ausbreitete, trugen nicht dazu bei, sie in bessere Laune zu versetzen. »Ich halte es nicht für klug, Ihren, nun, sagen wir, wohlgeratenen Busennoch durch eine Perlenstickerei zu betonen. Nein, im Gegenteil: Sehen Sie nur, Miss Rivingston. Die Taille rutscht tiefer.« Sie deutete mit spitzem Finger auf eine vor ihr liegende Zeichnung: »Was ich sagen will, ist, daß die Mode nicht mehr eine unter den Busen geschobene Taille zwingend vorschreibt. Es scheint, als

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