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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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Tollerei. Und da frage ich mich, wie es kommen konnte, daß Sie diese Stätte des Lasters besuchten, Reverend.«
    Während der Geistliche sie anstarrte, als habe er nicht recht gehört, schnappte Mrs. Clifford vor Empörung nach Luft: »Charlotta!« rief sie aus, und ihre Stimme überschlug sich beinahe: »Bist du wohl still, du ungezogenes Kind! Das geht nun wirklich zu weit. Mr. Westbourne ist ein Mann. Für ihn gelten ganz andere Maßstäbe von Sittlichkeit und Anstand als für eine junge Dame. Sofort entschuldigst du dich bei Mr. Westbourne.«
    Kitty kniff die Lippen zusammen und sagte keinen Ton.
    »Wie oft habe ich den Tag verwünscht, da Sie dieses Institut betraten!« entfuhr es dem Geistlichen. Er sprach mit so viel Inbrunst und Temperament, wie es ihm keine der Damen zugetraut hätte. »Bevor Sie kamen, war dies eine Stätte der Ruhe und der Stille. Eine Stätte der Gelehrsamkeit und des Gebets. Aber dann kamen Sie und brachten mit ihren ausländischen Gewohnheiten alles in Aufruhr. Sehen Sie sich doch Miss Rivingston an.« Er machte drei Schritte auf Mary Ann zu, ergriff ihren Arm und zwang sie, sich ihm zuzuwenden.
    »Was war sie doch für ein sittsames, scheues Mädchen, bevor Sie kamen. Und was tut sie jetzt? Sie treibt sich heimlich auf Bällen herum wie eine x-beliebige… Dirne!«
    Ein lautes Klatschen folgte diesem Ausbruch. Kitty hatte ihm ohne zu zögern mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. »Sie werden es nicht wagen, noch einmal meine Freundin zu beleidigen«, fuhr sie ihn an.
    »Ich denke wirklich, Sie gehen zu weit, Sir«, kam von Mrs. Clifford unerwartete Schützenhilfe.
    Der Geistliche nestelte an seinem Kragen. Es hatte den Anschein, als sei ihm dieser mit einem Mal viel zu eng geworden. Dann wandte er sich zu der Schulleiterin um, verbeugte sich angemessen und bemühte sich, die Gefühle, die in ihm loderten, zu unterdrükken: »Entschuldigen Sie mich bitte, Madam«, brachte er mühsam hervor. Mit großen Schritten eilte er aus dem Zimmer. Auf seiner Wange brannten feuerrot Kittys fünf Finger. Krachend fiel die Tür ins Schloß.
    Mary Ann war wie versteinert. Die Tränen brannten in ihren Augen. Das soll der Mann gewesen sein, in den sie sich verliebt hatte? Dieser cholerische, selbstgerechte Mensch, der die wüstesten Beschimpfungen ausstieße? Der ihr keine Gelegenheit gab, sich zu verteidigen? Der sie verurteilte, ohne sie anzuhören? Was für eine Gans war sie doch gewesen. Was für eine unverzeihlich dumme Gans. Kitty legte den Arm fürsorglich um ihre Schulter. »Er ist es nicht wert!« flüsterte sie ihr zu.
    »Charlotta Stapenhill!« brüllte Mrs. Clifford. Die Zornadern traten an ihrem schlanken langen Hals hervor. Ihre sonst weißen Wangen waren vor Zorn tief gerötet. »Jetzt habe ich endgültig genug von deinem schlechten Benehmen. Du bist in meinem Hause nicht länger erwünscht. Ich werde noch heute einen Brief an deine leidgeprüfte Tante richten und sie auffordern, dich abzuholen. Du begibst dich jetzt hinauf auf dein Zimmer. Dort wirst du dich bis auf weiteres aufhalten.« Sie warf Kitty noch einen letzten bösen Blick zu, bevor sie sich Mary Ann zuwandte. Mühsam rang sie nach Fassung. »Mit dir, Mary Ann, will ich diesmal noch nicht so streng ins Gericht gehen«, sagte sie schließlich. »Ich denke, es wird noch einmalohne einen Brief an deinen werten Bruder, Lord Ringfield, abgehen. Sicherlich war der Ballbesuch nicht deine Idee. Ich nehme an, du bist dazu überredet worden.«
    Mary Ann schüttelte den Kopf. »Nein, das stimmt nicht, Mrs. Clifford«, begann sie mit energischer Stimme. Keinesfalls wollte sie es zulassen, daß die Direktorin Kitty die Alleinschuld an ihrem schändlichen Betragen gab. Doch die Schulleiterin unterbrach sie mit einer energischen Handbewegung: »Ich will jetzt keinen Widerspruch hören«, sagte sie streng. »Du bist zu diesem Ballbesuch überredet worden, das steht für mich fest. Und nun geht auf euer Zimmer. Du wirst dich ab heute nachmittag wieder am Unterricht beteiligen, Mary Ann. Was mit dir passiert, Charlotta, das wird Lady Farnerby entscheiden.«
    »Ich kann dir sagen, wie Lady Jane entscheiden wird«, sagte Kitty, als sie ihr Zimmer erreicht hatten. Sie ließ sich auf den Sessel fallen, der neben dem Fenster stand, und blickte düster nach draußen: »Ich habe dir doch von Mrs. MacWetherby erzählt. Du weißt schon, die Gouvernante, die meine Cousinen Lizzy und June erzogen hat. Tante Janes langweilige Töchter. Mrs.

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