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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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Vormund abgeben. Aaah…«, aufseufzendlehnte sie sich in die Kissen zurück. »Wenn mir bloß nicht so übel wäre!« Erschöpft schloß, sie die Augen.
    Mary Ann nahm ihr Tinte und Feder ab und stellte sie auf den kleinen Schreibtisch am Fenster. Dann legte sie das schwere Buch zur Seite und deckte Kitty fürsorglich zu: »Versuch zu schlafen, meine Liebe. Bis Al mit der Antwort zurückkommt, dauert es sicher Stunden. Vielleicht trifft er Seine Lordschaft gar nicht sofort zu Hause an und muß auf ihn warten.«
    Mary Ann irrte sich. Seine Lordschaft war zu Hause. Er ging unruhig in seiner Bibliothek auf und ab, so als wartete er auf einen Besucher. Als der Butler eintrat, um ihm Kittys Brief auf einem Silbertablett zu präsentieren, riß er ihm diesen ungeduldig aus der Hand. Er öffnete den Umschlag mit der scharfen Klinge seines Brieföffners und überflog die Zeilen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! »Higson, sagen Sie dem Diener… Nein, warten Sie, ich werde etwas schreiben.« Er setzte sich an seinen schweren, dunklen Schreibtisch, tauchte die Feder in das blankpolierte Tintenfaß aus Messing und warf mit schwungvollen Zügen eine kurze Nachricht auf das goldgeränderte Papier.
    »Was soll das heißen!« Kitty setzte sich mit einem entsetzten Aufschrei im Bett auf. »Ö Gott!« stöhnend hob sie die Hand zur schmerzenden Stirn. »Lies noch einmal, bitte, Mary Ann, lies mir diese Nachricht noch einmal vor. Das kann nicht stimmen. Du mußt dich irren.«
    »Mündel«, las Mary Ann abermals. »Ich bin von Deiner Tante Lady Farnerby über Dein undamenhaftes Benehmen in Kenntnis gesetzt worden und keinesfalls gewillt, mich mit Dir darüber zu unterhalten. Du wirst umgehend in Deine Schule zurückkehren und dort die Anweisungen von Lady Farnerby abwarten. St. James.«
    »Es ist also wahr!« stöhnte Kitty. »Er will mich nicht einmal sehen. Er schickt mich zurück.« Sie brach in Tränen aus. »Was sollen wir jetzt tun, Mary Ann?«
    Diese ließ sich auf der Bettkante nieder. Kittys Zustand machte ihr ernsthafte Sorgen. Sie hatte ihre Freundin stets fröhlich und vollerTatendrang erlebt. Nichts konnte sie aus der Fassung bringen, stets hatte sie eine Idee, einen Ausweg parat. Doch nun saß sie verzweifelt und weinend in einem fremden Hotelbett. Und das alles nur wegen eines sturen alten Mannes, der sich weigerte, seine Nichte zu empfangen.
    »Und wir werden trotzdem hingehen«, verkündete Mary Ann mit überraschend bestimmtem Tonfall. »Und zwar auf der Stelle.« Sie war aufgesprungen und hatte den Kleiderschrank aufgerissen, in dem ihre spärliche Garderobe, vom Hausmädchen fein säuberlich aufgebügelt, auf hölzernen Bügeln hing.
    »Tut mir leid, Kitty, aber du mußt aufstehen. Wir werden deinen Onkel aufsuchen.«
    »Jetzt?« erkundigte sich Kitty verstört.
    »Jetzt«, antwortete Mary Ann bestimmt. »Du wirst das dunkelgrüne Kleid mit dem hübschen weißen Spitzenkragen anziehen. Darin siehst du wie ein braves Schulmädchen aus. Das ist genau der Eindruck, den wir jetzt brauchen. Die Haare streng aufgesteckt… und Onkel St. James wird Lady Farnerbys Geschichten für böse Lügen halten.«
    Kitty ließ ein leises Lachen hören: »Glaubst du wirklich?« fragte sie, nicht ganz überzeugt.
    »Aber natürlich«, entgegnete Mary Ann, bemüht darum, mehr Zuversicht zu versprühen, als sie tatsächlich empfand: »Er muß uns einfach helfen. Denn wir können ja nicht zurück. Nicht einmal, wenn wir wollten. Wir haben bereits all unser Geld ausgegeben. Jeden Cent. Wir haben nicht einmal das Geld für die Pferdewechsel auf der Rückfahrt.«
    »Du hast recht«, stöhnte Kitty niedergeschlagen. »Es bleibt uns gar nichts anderes übrig.« Aufseufzend schlug sie die Decke zurück und ließ sich von ihrer Freundin aus dem Bett helfen.
    Eine knappe Stunde später fuhr die Kutsche von Miss Stapenhill abermals vor dem vornehmen Haus in der Brook Street vor. Al hatte, obwohl es gar nicht schneite, wieder seine voluminöse Mütze aufgesetzt. Auch die Bartstoppeln hatte er sich noch immer nicht abrasiert. Mary Ann kletterte als erste aus dem Wagen und betrachtete mitbangem Gefühl die vornehme, abweisende Fassade. Das Haus des Earl schien das breiteste und größte der Straße zu sein. Ein Vordach, von zwei ionischen Säulen getragen, schmückte den imposanten Eingang. Vier weiße Marmorstufen führten zur mattgrün gestrichenen Tür.
    »Er wird uns nicht vorlassen«, flüsterte Kitty aufgeregt. »Mary Ann, ich fühle mich so

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