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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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Und doch war es besser, für diesen Fall vorzusorgen. Sein eleganter Landauer war auffällig, das Wappen am Schlag nicht zu übersehen. Mit skeptischem Blick hatte er den Wagen der beiden Detektivinnen begutachtet. Was er sah, stellte ihn durchaus zufrieden. Der Wagen schien fast neu zu sein, außerdem war er gut gefedert. Der Innenraum allerdings war ungewohnt beengt. Er streckte die langen Beine von sich und lehnte sich lässig in die rechte Ecke. Es war spät geworden am gestrigen Abend. Christine d’Arvery hatte ihm eine unerfreuliche Szene gemacht, als er ihr erzählt hatte, er würde am nächsten Tag die Stadt verlassen. Es hatte einige Zeit gekostet, sie zu beruhigen, und dann war der Abend doch noch ganz reizvoll geworden. Es war verdammt spät, als er ins Bett kam. In sein eigenes Bett. Seine Lordschaft schloß die Augen. Er würde, sich erst einmal ordentlich ausschlafen. Christines Gesicht erschien vor seinem geistigen Auge. Er hatte gar nicht gewußt, daß sie so streitsüchtig war. Sie hatte gar nicht hübsch ausgesehen in ihrem Zorn. Ihr Hals erschien auf einmal lang und sehnig, tiefe Falten bildeten sich rund um ihren verkniffenen kleinen Mund.
    Seine Lordschaft blinzelte unter seinem Reisehut, den er tief in die Stirn gezogen hatte, hervor. Ihm gegenüber, auf der schmalen Bank gegen die Fahrtrichtung, saß Miss Kitty, die Assistentin der Detektivin. Auch sie hatte ihre Augen geschlossen und lehnte mit blassen Wangen in den Polstern aus mittelblauem Samt. Schwere schwarze Locken umrahmten das zarte Gesicht. Der kleine Schutenhut, der mit einer zum grüngestreiften Reisekleid passenden Schleife geschlossen wurde, lag achtlos neben ihr auf der Bank. Ein recht hübsches Ding, die Kleine, dachte er. Es konnte nicht schaden, wenn er sie im Auge behielt. Schmunzelnd schloß er wieder die Augen. Die Reise versprach gar nicht so unangenehm zu werden.
    Auch beim Abendessen im Extrazimmer der Poststation »Zum Hirschen« wurde nicht viel gesprochen. St. James saß am Ende der schweren Tafel aus Eichenholz und nippte skeptisch an dem Wein, den ihm der Wirt in einem irdenen Krug vorgesetzt hatte. Das Zimmer war klein, bis zur Decke mit Holz getäfelt. Obwohl es erst gegen sechs Uhr abends war, war es bereits dunkel. Durch die kleinen beschlagenenFensterscheiben konnte man nicht erkennen, ob es erneut zu schneien begonnen hatte. Im Kamin loderte ein kräftiges Feuer und machte den Raum warm und gemütlich. Und doch fühlten sich die drei anwesenden Personen nicht wirklich behaglich. Das Essen, das die Wirtin für ihre Gäste zusammengestellt hatte, war überraschend delikat. Besser als das, was es bei Mrs. Clifford üblicherweise zum Dinner gab.
    Für den verwöhnten Gaumen Seiner Lordschaft jedoch ein armseliger Genuß und keineswegs dazu geeignet, ihn in wohlwollende Stimmung zu versetzen. Dazu kam der Wein, den nur besonders Bescheidene als etwas herb bezeichnet hätten. Und dann die zwei fremden Mädchen. Detektivinnen. Er wußte beim besten Willen nicht, worüber man sich mit Detektivinnen unterhielt. Was waren das überhaupt für Frauen? Aus welcher Schicht kamen sie? Sie machten einen durchaus guterzogenen und sauberen Eindruck. Ihre Sprache war wohlklingend und ohne Einfärbung eines Dialekts. Wenn man davon absah, daß die Kleine mit den hübschen schwarzen Augen immer wieder Ausdrücke einer fremden Sprache in ihre Unterhaltung mischte. Die Wörter klangen südländisch. Und sie paßten zu ihrem Aussehen. Die Stimmung Seiner Lordschaft hob sich. Er schmunzelte gedankenverloren. Sicher hatte das Mädchen südländisches Temperament. Ob er wohl ausprobieren sollte, ob dieses feurige Temperament ihr in jeder Situation eigen war? Langsam hob er das Glas und prostete Kitty zu. Der Blick, den er ihr dabei schenkte, war altbewährt. Er hatte noch bei keiner Frau, die er haben wollte, die Wirkung verfehlt. Na also, sein Gegenüber errötete vielversprechend. Gleich würde sie den Blick verschämt senken und dann mit kokettem Augenaufschlag zu ihm hinüberblinzeln. Doch Kitty Stapenhill dachte nicht daran, ihre Augen sittsam niederzuschlagen. Zu groß war ihre Freude. Zu kostbar das nie gekannte Gefühl des Triumphes, das sie in ihrem Herzen spürte. Sie hatte es gewußt: Nur ein Tag in ihrer Gesellschaft würde genügen, und St. James würde ebenso verliebt in sie sein, wie sie in ihn war. Sie erwiderte seinen Blick mit einem kleinen offenen Lächeln. Nun war es an Seiner Lordschaft, verwirrt zu sein.
    Mary Ann

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