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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Fahrzeugschein steckte.
    »Was ist das?« fragte er neugierig.
    Was heißt Fahrzeugschein auf englisch,
überlegte Anne angestrengt und erklärte dann: »Die Papiere von meinem Wagen zu
Hause. Ich vergaß, sie herauszunehmen, hier brauche ich sie ja eigentlich
nicht.«
    »Darf ich mal sehen?«
    »Aber bitte, Sir.« Er studierte den
Wisch fachmännisch.
    »Sie fahren einen BMW?« Er hob
erstaunt die Brauen.
    »Ja«, nickte Anne kleinlaut, so als
würde sie sich für eine Vorstrafe entschuldigen. War das nun gut oder schlecht?
Bewunderung oder Sozialneid, was löste eine derartige Enthüllung im Hirn eines
Provinzsheriffs aus?
    »Welchen?«
    »Achtfünfzig i«, preßte Anne
zähneknirschend hervor.
    Ein geradezu festliches Strahlen
begann daraufhin seine Iris zu erleuchten.
    »Sagen Sie, junge Lady, der gehört
Ihnen, ganz allein?«
    »Ah, ja, Sir«, bestätigte Anne mit
einem perfekt gespielten Anflug scheuer Verlegenheit und schlug bescheiden die
Augen nieder. »Wissen Sie, in Deutschland sind diese Autos nicht so teuer,
also... ich meine... die deutschen Autos, die amerikanischen schon.« Anne
geriet absichtlich ins Stottern.
    »Unter uns gesagt...«, der Sheriff
zwinkerte ihr zu, als folge sogleich ein schlüpfriger Antrag, »...der fährt
doch sicher glatte hundertvierzig Meilen, oder?«
    Anne sah in das erwartungsvolle
Gesicht eines kleinen Jungen. Sie erwiderte das Zwinkern, verlieh ihrer Stimme
einen Klang, der sich verdächtig nach Teresa als Schwedin anhörte, und
offenbarte dann mit sinnlichem Blick: »Er fährt locker über hundertsechzig,
Sir.«
    Der Sheriff pfiff anerkennend. Jetzt
war er restlos umgarnt, wie eine Raupe im Kokon. Anne war sich dessen bewußt
und setzte noch eins drauf: »Und Sie können mit hundert Meilen in die Kurve
fahren, er liegt auf der Straße wie ein Brett.« Bei »Brett« schlug sie mit der
flachen Hand auf die Schreibtischplatte, daß der Kaffeebecher wackelte. Dem
Walroß wurden Augen und Lippen feucht, bei dieser Vorstellung. Dann zuckte er
die Achseln und meinte mit waidwundem Blick: »Tja, ihr Deutschen habt ja auch
eure Autobahn... das ist schon eine tolle Sache.«
    »O ja, Sir.«
    »Mein Schwager hatte mal eine
Corvette...«
    Es folgte ein längerer historischer
Abriß über die Fahrzeuge in der Familie McGuire, der Katie wieder unruhig auf
dem Sitz herumzappeln ließ, während Anne mit gebührendem Respekt lauschte. Aber
schließlich erbarmte er sich und rief: »Donnell!«
    Als hätte er draußen gelauscht, stand
er auch schon in der Tür.
    »Ja, Sir?«
    »Die jungen Damen dürfen jetzt gehen.
Das heißt, ich schlage vor, ihr bringt sie gleich mit dem Streifenwagen bis
nach Baltimore, verstanden?«
    »Oh, das ist nicht nötig, Sir«, wehrte
Anne ab, »es genügt, wenn wir bis zur nächsten Busstation gebracht werden,
wirklich.«
    »Unsinn. Sie werden doch nicht
mit dem Bus fahren! Sie ahnen ja nicht, was für ein Pack da drin sitzt. Nein,
das schulden wir Ihnen, für die... Unannehmlichkeiten. Und Sie sollten sich auf
alle Fälle Baltimore ansehen, ist ein feines Städtchen.«
    »Vielen Dank.«
    Der Sheriff benahm sich nun, als wäre
er der Erfinder des Wortes Galanterie. »Es ist natürlich kein so schneller
Wagen wie Ihrer, und Donnell wird sich an das Tempolimit halten müssen, nicht
wahr?« Er lachte über seinen eigenen Witz. Donnell nickte brav.
    Anne lächelte und bedankte sich, der Sheriff
lächelte auch und entschuldigte sich für die lange Wartezeit, die
beiderseitigen Höflichkeiten und Sympathiekundgebungen wollten kein Ende
nehmen.
    »Sollten Sie jemals in Schwierigkeiten
kommen — nur an Sheriff McGuire wenden!« Er stand auf und reichte Anne zum
Abschied die Hand. »Solche... Ladies wie Sie trifft man sehr selten auf dieser
Wache.«
    Davon war Katie überzeugt. Ohne
jegliches Make-up, das Kostüm knittrig wie ein ungemachtes Bett, umwehte Anne
auch jetzt noch eine Aura von Eleganz und Kultur. Woran diese Ausstrahlung im
einzelnen lag, konnte Katie nicht so genau feststellen. Garantiert würde Anne
noch in silberbenieteten Lederstrapsen wie eine höhere Tochter aussehen.
Vielleicht wurde man damit geboren, so wie andere Menschen mit Sommersprossen
oder zu großen Füßen. Sonnenklar, daß dieser Hinterwäldlersheriff hin und weg
war, sobald sie ihm auf die Lady-Tour kam. Nur, was nützte ihr, Katie, das im
Moment? Wann ließ der Kerl endlich die Bombe hochgehen, die sich in ihrer
Reisetasche befand?
    »Einen Sheriff wie Sie trifft man
bestimmt auch nicht

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