Schneemann
eifersüchtiger, eitler Fatzke, der sich über Mathias’ aussichtslose Versuche freute, Olegs Herz zu gewinnen.
Mathias fingerte an einem Mantelknopf herum. “Schon seltsam bei diesen Scheidungskindern, wie stark ihr Bewusstsein dafür ist, von wem sie eigentlich abstammen. Dass ein neuer Vater den richtigen nie ersetzen kann.”
“Olegs richtiger Vater wohnt in Russland”, wandte Harry ein. “Auf dem Papier, ja”, sagte Mathias und grinste vielsagend. “Aber in Wirklichkeit sieht das etwas anders aus, Harry.”
Oleg glitt vorbei und winkte den beiden zu. Mathias winkte zurück.
“Du hast mal mit einem Arzt zusammengearbeitet, der Idar Vetlesen heißt”, wechselte Harry das Thema.
Mathias sah ihn überrascht an. “Idar, ja. In der Marienlyst-Klinik. Kennst du ihn?”
“Nein, ich habe seinen Namen im Internet recherchiert und bin dabei auf eine alte Liste mit den Namen der angestellten Ärzte gestoßen. Da war auch dein Name dabei.”
“Das ist inzwischen einige Jährchen her, aber wir hatten viel Spaß in dieser Klinik. Die wurde in einer Zeit gegründet, als alle dachten, im privaten Gesundheitswesen sei richtig Geld zu verdienen. Und geschlossen, als man vom Gegenteil überzeugt war.”
“Ihr hattet Insolvenz angemeldet?”
“Konkurs hieß das damals. Bist du Patient bei Idar?”
“Nein, sein Name tauchte in Verbindung mit einem Fall auf.
Kannst du mir sagen, was er für ein Typ ist?”
“Idar Vetlesen?” Mathias lachte. “Ja, da kann ich dir einiges sagen. Wir haben zusammen studiert und waren viele Jahre in derselben Clique.”
“Heißt das, ihr habt heute keinen Kontakt mehr?”
Mathias zuckte mit den Schultern. “Wir waren ziemlich verschieden. Die meisten von uns sahen im Medizinstudium und im Arztberuf eine … na ja, schon so etwas wie eine Berufung. Nur Idar nicht. Er hat ganz offen zugegeben, dass er Medizin studiert, weil das der Beruf mit dem größten Prestige sei. Ich bewundere auf jeden Fall seine Ehrlichkeit.”
“Idar Vetlesen hat es also auf Prestige abgesehen?”
“Und natürlich auf Geld. Niemand war wirklich überrascht, als Idar mit der plastischen Chirurgie begann. Und schließlich eine
eigene Klinik für eine ausgesuchte Klientel leitete. Die Reichen und Berühmten. Diese Menschen haben ihn schon immer angezogen. Er will wie sie sein, sich in ihren Kreisen bewegen. Das Problem ist nur, dass Idar immer alles ein bisschen zu sehr will. Ich sehe es förmlich vor mir, wie diese Promis ihn vornerum anlächeln, aber hinter seinem Rücken über seine Aufdringlichkeit und seinen Übereifer tuscheln.”
“Willst du damit sagen, er würde alles tun, um sein Ziel zu erreichen?”
Mathias dachte nach. “Idar war immer auf der Suche nach etwas, was ihn berühmt machen würde. Sein Problem ist nicht, dass er nichts leisten könnte, aber er hat eben nie sein großes Projekt gefunden. Als ich das letzte Mal mit ihm gesprochen habe, machte er einen frustrierten, ja fast deprimierten Eindruck.”
“Glaubst du, dass er dieses Projekt jemals finden wird? Vielleicht außerhalb der Medizin?”
“Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, aber vielleicht. Er ist ja nicht gerade der geborene Arzt.” “Wie meinst du das?”
“So wie Idar die Erfolgreichen verehrt, verachtet er die Schwachen und Kranken. Er ist nicht der einzige Arzt, der das tut, aber sicher der einzige, der es offen ausspricht.” Mathias lachte. “Wir anderen in unserer Clique haben als Idealisten begonnen, bis irgendwann doch der Gedanke an die 0berarztstelle gekommen ist und sich der Wunsch gemeldet hat, die neue Garage abzubezahlen und Überstundenzulage zu verlangen. Idar hat sicher keine Ideale verraten, er war nur von Anfang an so.”
Idar Vetlesen lachte laut. “Hat Mathias das wirklich so gesagt? Dass ich keine Ideale verraten habe?”
Er hatte ein hübsches, beinahe feminines Gesicht mit so schmalen Augenbrauen, dass man denken konnte, er hätte sie gezupft. Auch seine weißen, ebenmäßigen Zähne weckten den Verdacht, es könnte sich nicht um seine eigenen handeln. Seine Haut sah weich und retuschiert aus, und seine dichten Haare lockten sich voller Vitalität. Kurz gesagt, er sah wesentlich jünger aus als seine siebenunddreißig Jahre.
“Ich weiß ja auch nicht, wie er das gemeint hat”, log Harry. Sie saßen in tiefen Lehnsesseln in der Bibliothek einer altehrwürdigen weißen Bygdey-Villa. Idar Vetlesen hatte das Anwesen als sein Elternhaus vorgestellt, während er Harry
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