Schneerose (German Edition)
sie je wieder Sterne
oder Regen betrachten können wird, ohne dabei an den Verrat ihrer beider besten
Freunde zu denken. Sie kann nicht mal sagen, was sie mehr schmerzt, dass Mike
sie einfach nicht will oder dass Lia sich einen Dreck um ihre Gefühle schert?
Mike beugt sich zu ihr hinab und streckt ihr seine
Hand hilfsbereit entgegen. Auf seinem Gesicht zeichnet sich Kummer ab, doch
Lindsay interessiert es genauso wenig wie sein Mitleid. Sie schlägt seine Hand
mit einer Wucht weg, dass er sie erschrocken zurückzieht und ihr erschüttert
entgegen blickt. Sie rappelt sich alleine auf und will bereits wieder davon
stürmen, doch da schließen sich seine Finger plötzlich feste um ihren Oberarm.
Für einen Moment erstarrt sie. So kennt sie Mike nicht. Er war immer schüchtern
und unsicher, doch jetzt zeigt er sich selbstbewusst, bestimmend und ... sogar
dreist. Ihre zur Faust geballte Hand zielt genau auf seine Nase zu, aber Mike
fängt sie ab und hält sie so fest wie ihren Arm. Sie ist ihm ausgeliefert, doch
ihr Blick sprüht hasserfüllte Funken.
„Findest du nicht, dass du mir wenigstens die Chance
geben könntest es zu erklären?“
„Warum?“, schreit sie ihm aufgebracht entgegen. „Es
ändert ja doch nichts!“, der letzte Teil des Satzes endet in einem hysterischen
Schluchzen, für das sich Lindsay selbst Ohrfeigen würde, wenn Mike ihre Arme
nicht festhalten würde.
„Es ändert alles.“, erklärt er ihr ernst und lässt
sie los. Sie hat die Wahl zu gehen, doch seine Aussage fesselt sie und entfacht
tief in ihrem Inneren den letzten Funken Hoffnung, der noch übrig geblieben
ist, nachdem ihr Herz in Stücke zerschmettert wurde.
Dass sie nicht geht, fasst Mike als Einladung
weitersprechen zu dürfen auf.
„Als du zu uns in die Klasse gekommen bist, hielt
ich dich für eine eingebildete und oberflächliche Zicke. Ich war eifersüchtig
auf dich, weil du dich so gut mit Lia verstanden hast und sie in deiner
Gegenwart immer glücklich war.“ Er stockt und presst die Lippen aufeinander.
„Ich wollte sie nicht teilen, weder mit dir noch mit sonst irgendjemand.“
Warum erzählt er ihr das? Will er etwa noch Salz in
ihre Wunden streuen? Dicke Tränen treten aus Lindsays Augen und sie ist dankbar
für den Regen, der sie unsichtbar macht.
„Gratuliere!“, ihre Stimme trieft vor Sarkasmus, „Du
hast dein Ziel erreicht. Ich will weder mit dir noch mit Lia je wieder etwas zu
tun haben. Ihr seid für mich gestorben.“
Sie hat genug gehört. Es reicht. Sie kehrt Mike den
Rücken zu, doch wieder lässt er sie nicht gehen. Seine Hand schließt sich warm
um ihre zitternde. Dieses Mal ist sein Griff weder feste noch bestimmt. Er ist
zärtlich und mehr flehend. Es ist der Mike, den sie kennt und in den sie sich
verliebt hat. Sie kann nicht gehen, auch wenn es ihr das Herz zerreißt.
„Aber Lindsay, das ist Vergangenheit.“, erklärt er
ihr leise. Das Donnern des Himmels hat nachgelassen. Der Regen fällt nur noch
seicht auf ihre durchgeweichten Kleider und nassen Körper.
„Ich war so ein Idiot!“, ruft er aus und bringt
Lindsay dadurch dazu sich wieder mit einem misstrauischen Blick zu ihm
herumzudrehen.
„Es war der größte Fehler meines Lebens, dass ich
dich nach unserer gemeinsamen Nacht hab gehen lassen. Ich war blind auf beiden
Augen.“, seine Stimme bricht.
Trotz der Dunkelheit erkennt Lindsay nun, dass sie
nicht die Einzige ist, die weint. Mikes Augen sind geschwollen, während seine
Lippen beben. Er schämt sich nicht für seine Tränen, wie andere Jungen es
täten, sondern trägt sie ohne Scham, denn sie sind ein Zeichen seiner Gefühle.
Lindsay liebt ihn dafür nur noch mehr. Ihr Herz beginnt bei seinen Worten wild
zu schlagen und die Flamme der Hoffnung lodert hell in ihrem Inneren auf,
während Mike fortfährt.
„Du bist hübsch, intelligent, witzig und ehrlich. Du
hast mehr Herz, als jede andere.“
Lindsay blinzelt ungläubig gegen den Regen an und
ist absolut sprachlos. Wie in einem Film geht Mike nun vor ihr auf die Knie,
doch es folgt kein Heiratsantrag, den Lindsay ohnehin abgelehnt hätte, sondern
etwas viel besseres.
„Lindsay, ich will nur dich! Bitte verzeih mir!“
Seine Worte sind mehr als sie ihm je zugetraut und
mehr als sie je erwartet hätte. Trotz allem, was war, gibt es für sie nur eine
einzige Möglichkeit darauf zu reagieren. Sie presst ihre Lippen auf seine.
Beide schmecken das Salz ihrer Tränen. Es brauchte erst eine Reise in die
Wüste, um
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