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Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Titel: Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Wittekindt
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Ohayon hat verstanden. Er und Conrey essen also nicht zu Mittag und gehen stattdessen in die Schule von Benningstedt. Sie zeigen die Fotos von Philippe und Geneviève herum und fragen, ob jemand sie kennt. Negativ. Sie fragen auch, ob jemand seit Freitag vermisst wird. Es ist reine Fleißarbeit, und wieder ist es Conrey, der die Fragen stellt, und Ohayon bekommt den Mund nicht auf. Weil es wieder ein Gymnasium ist.
    Und so schämt er sich eine Weile, merkt, dass Conrey auch gut ohne ihn klarkommt, und fängt an, sich zu langweilen.
    Nach einer Weile gibt er es auf, hinter Conrey herzutrotten. Er setzt sich ein Stück ab und guckt aus einem Fenster. Roland Colbert hat auch diese Angewohnheit.
    Wieder ein Baum, genau wie auf dem Schulhof in Fleurville. Die Melancholie breitet sich aus. Die Welt ist immer dieselbe, egal was gerade los ist.
    Und so sieht Ohayon, dass es auf dem Innenhof des Gymnasiums von Benningstedt einen Garten gibt und dass in der Mitte ein Baum steht und dass auf allen Zweigen Schnee liegt. Das sieht sich Ohayon eine Weile an, beruhigt sich dabeiund hört irgendwann auf, sich zu schämen. Und als das mit dem Schämen aufgehört hat, gehen bei Ohayon die Sensoren wieder an. Seine sechs Augen und seine sechs Ohren, wie der Kommissar das nennt. Ohayon fällt etwas auf, das Conrey nie aufgefallen wäre. Und wenn er zehntausend Schüler und Lehrer befragt hätte. Ohayon fällt auf, dass ihnen jemand folgt, immer in der Nähe steht, wenn Fragen gestellt werden. Und dass dieser Jemand nervös ist. Nicht nervös nach außen, aber spürbar nervös. Und wenn Ohayon mal was registriert, dann wird er anders. Er geht also zu dem Mann, fragt ihn, erfährt, dass er Lehrer ist und lädt ihn vor. Am nächsten Tag zur Aussage. Ohne weitere Nennung von Gründen. Die Reaktion des Mannes verblüfft ihn. Sergeant Ohayon hat nämlich das Gefühl, der Mann hätte nur auf diese Einladung gewartet.

    Als Conrey und Ohayon eintrudeln, wartet Roland Colbert gerade darauf, dass Walter Heimann gebracht wird. Er will wissen, ob die Suchmannschaften schon was gefunden haben.
    »Frag Grenier. Die ist doch mit denen draußen, oder?«
    »Ja, aber die hat mal wieder ihr Handy abgeschaltet. Habt ihr die Nummer von der Suchtruppe?«
    Keiner hat sie. Also geht Ohayon in Greniers Büro. Die Liste mit den Nummern liegt neben dem Telefon.
    Conrey ruft beim Leiter der Suchmannschaft an und erfährt, dass sie bis jetzt kein totes Mädchen gefunden haben und dass sie bald durch sind mit dem Gelände. Bis fast zur Siedlung bei Benningstedt. Wo Grenier ist, weiß der Mann nicht.

    Marie Grenier tastet sich durch den Schnee.
    Vielleicht hat er die Handschuhe ausgezogen. Das Handy lag neben der Leiche, und um anzurufen, hat er sie vielleicht …
    Greniers Knie werden kalt.
    Wäre logisch, dass er sie ausgezogen hat. Aber nicht neben der Leiche, da waren wir gestern schon, nein, ich bin falsch hier. Also noch mal: Von wo ist er gekommen? Von der Lichtung? War er bei Geneviève? Hat er sie getötet und deshalb … wäre das logisch …

    Walter Heimann kommt nicht, und als Roland Colbert in der Pension anruft, sagt die Wirtin, dass er vor einer Stunde weggegangen ist. Für den Weg braucht man auch im Schnee höchstens eine halbe Stunde. Resnais wird also losgeschickt.
    Danach ist Roland Colbert endlich allein. Er denkt an Juliet und Sina, an die geplante Reise. Dass er in einer Woche irgendwo in Barcelona sitzt und Paella isst, kommt ihm sonderbar vor. Wie wohl das Wetter da ist, im November?
    Er ist jetzt seit vier Tagen in Fleurville. Wird Zeit, dass ich mal wieder nach Hause fahre. Und als er an den letzten Anruf von Juliet und Sina denkt, fällt ihm wieder dieser komische Moment ein. Bei dem Telefonat am Sonntagmorgen … da war ihm doch eine Idee gekommen. Er konzentriert sich, kommt aber nicht drauf, warum ihm das gerade jetzt einfällt. Ein Gedanke, der etwas mit dem Krankenhaus zu tun hatte – und mit Sinas geplantem Friseurbesuch. Roland Colbert erwägt einige Kombinationen, in denen ein Krankenhaus, ein Mordfall und ein Friseurbesuch zusammenfallen, und … Er gibt den Versuch schließlich auf und beschließt, später darüber nachzudenken. Das allerdings wird er nie tun. Er wird den Gedanken für immer vergessen. Wie wichtig oder genial er auch war, er wird keine Rolle spielen. So was kommt vor. Dass etwas für immer und ewig vergessen wird. Und nun wäre es ein Leichtes, sich auszumalen, wie die Welt aussähe, wenn das noch nie passiert

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