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Schneesterben

Schneesterben

Titel: Schneesterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Hansen umgekommen ist?«
    »Nein. Nicht bei solchen Temperaturen.«
    »Also käme Regler in Frage. Und ein Alibi hat er doch wohl nicht.«
    »Nein. Noch nicht einmal das, was du ihm gibst.« Karen klang noch immer kurz angebunden. »Paul, ich muß gehen. Ich habe einen Termin.«
    »Und nach der statistischen Wahrscheinlichkeit…«
    »… töten eher Ehemänner die Geliebten ihrer Frauen, als daß Frauen ihre Geliebten umbringen. Schon gut. Ich kenne die Lehrmeinung auch.«
    »Warum habt ihr dann nicht…«
    »Wir haben, Paul, wir haben.«
    Er spürte ihre Ungeduld. Und endlich fiel der Groschen. »Wer? Du?«
    »Hier bei der Arbeit. Dank des Mutterschaftsurlaubs der Kollegin Buddensiek habe ich mittlerweile auch die Ehre von H-Hn – von R-Re hatte ich sie eh schon.«
    »Aber Thomas Regler…«
    »Ich weiß, Paul. Ich weiß. Er ist der Kandidat Nummer eins. Aber es hilft trotzdem nicht.«
    Der Tonfall, den sie anschlug, irritierte ihn. Sie sprach mit ihm wie mit einem Fremden.
    »Wir haben ein Geständnis. Krista Regler hat die Tat gestanden.«
    Er sagte nichts. Es fiel ihm auch nichts dazu ein.
    »Ich ruf dich an. Bald.«
    Er war noch beim Mittagessen, als es an der Haustür stürmisch klopfte. Er schob den Riegel zurück. Der Postbote hielt ihm einen dicken Umschlag entgegen.
    »Jens! Haben sie dich wieder entlassen, alter Verbrecher?«
    Jens zuckte die Schultern und machte auf verfolgte Unschuld. »Es hat an dem Medikament gelegen, was mir der Arzt verschrieben hat.«
    Bremer zog die Augenbrauen hoch. »Und das hat gleich zum völligen Ausfall des Verstandes geführt?«
    »Kannste so sagen. Aber nur kurzfristig.« Jens lächelte schäfisch.
    »Und deswegen mußte ich auf meine Post warten!« Bremer tat empört.
    »Beschwer dich bei Frau Dr. Krall«, sagte der Postbote und verabschiedete sich.
    Bremer sah ihm nach, wie er mit Vollgas den Friedhofsweg hoch zu Gottfried und Marie bretterte. Erwins betagter Kater hatte sich gerade noch auf den Bürgersteig retten können.
    Dann öffnete er den dicken Briefumschlag. Nach einer Stunde legte er das Manuskript aufatmend beiseite. Er hatte schlimmere Einwände befürchtet. Die Lektorin hatte nur hier ein Wort oder dort eine Formulierung beanstandet. Er würde nicht mehr viel Arbeit mit dem Buch haben.
    Als ob er geahnt hätte, daß er jetzt stören dürfe, war Nemax auf den Schreibtisch gesprungen und stupste ihm erwartungsvoll die kühle Nase ans Kinn. Bremer sah auf die Uhr. Es war fast vier. Zeit für den Nachmittagsspaziergang.
    Alle Nachbarn fanden sie komisch, die beiden, die mittags, nachmittags und mitternachts durchs Dorf spazierten, als wären sie Herr und Hund. Und tatsächlich demonstrierte Nemax allerhand unkätzisches Verhalten: er lief vorneweg und hinterher, aber er streunte nicht allein. Die Welt sieht anders aus, wenn man einer Katzenfährte folgt, dachte Paul und zog sich die Regenjacke und Gummistiefel an. Besonders im Sommer, wenn das Gras so hoch steht, daß man nur die spitzen Katzenohren sieht. Wenn es in der Dämmerung duftet nach Mädesüß und Wildrosen und Jelängerjelieber. Wenn nachts die Glühwürmchen durch die Büsche ziehen und eine Eule ruft.
    Aber noch war es kalt und der Boden schwer vor Nässe. Nemax lief voraus, setzte über die Pfützen und schnüffelte an den zerfallenen Pferdeäpfeln auf dem Feldweg. Die Amsel stürzte schnatternd im Tiefflug davon, als der Kater an ihrem Gebüsch vorbeigaloppierte, den Schwanz aufgeplustert und in elegantem Bogen zur Seite gelegt. In den Wiesen an der Flußaue stand das Wasser. Nemax scheute vor seinem Spiegelbild in einer Wasserlache und schnüffelte dann inbrünstig an den Fachwerkbalken, die Willi hinter der Scheune gestapelt hatte. Mit gespannter Aufmerksamkeit pirschte er sich an einen leeren Futtermitteleimer heran.
    Bremer sah nach den Wolken am Himmel und versuchte herauszufinden, ob es schon nach Frühling roch. Als er sich umdrehte und zurück zum Haus ging, folgte der Kater. Das Frühjahr und rollige Katzen waren noch weit.

12
    Frankfurt am Main
    I ch weiß nicht, wie ich eine Frau verteidigen soll, die zum Sachverhalt nichts sagt.«
    Edith Manning stand vor dem Fenster und klopfte mit den Fingern gegen die Scheibe. Karen Stark ging das Geräusch auf die Nerven. Am liebsten hätte sie »Ist das nicht Ihr Problem?« geantwortet.
    »Ich habe sie regelrecht angefleht, mir irgend etwas Entlastendes in eigener Sache an die Hand zu geben. Nichts.«
    Die Manning drehte sich um, die Hände in

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