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Schneesterben

Schneesterben

Titel: Schneesterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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müssen ihn gemeinsam getötet haben.
    »Was wissen wir eigentlich über das Opfer?«
    Nichts, dachte Karen und seufzte. »Ich bin noch nicht wieder ganz klar im Kopf, Frau Manning. Lassen Sie mich nachdenken.« Edith Manning murmelte etwas Entschuldigendes. Dann verabschiedete sie sich.
    Das Paar ist stärker als ein einzelner, dachte Karen.
    Die Vorstellung begann sie zu faszinieren. Was, wenn beide mit Michael Hansen einen Eindringling zur Strecke gebracht hatten – in beiderseitigem Einverständnis? Nicht Krista Regler wollte mehr – sondern Michael Hansen zog aus einem Liebesabenteuer mit der Frau die falschen Schlüsse. Sie wollte ihre Ehe retten. Ihr Mann half ihr dabei. Aus bedingungsloser Liebe.
    Die Sache war ihr plötzlich unheimlich. Sie versuchte, sich wieder auf den Krimi zu konzentrieren, den sie angefangen hatte, weil sie das Fernsehen nach der gestrigen Überdosis schon wieder satt hatte. Aber der Gedanke daran, daß offenbar jeder der beiden Reglers bereit war, für den anderen ins Gefängnis zu gehen, ließ sie nicht los. Und auch nicht Edith Mannings letzte Frage. Um sechs rief sie die Anwältin zurück.
    »Haben Sie was vor heute abend oder hätten Sie Lust auf Restbestände von Rotwein mit Pumpernickel?«
    Die Manning giggelte wie ein Schulmädchen. »Hervorragende Therapie bei schwachem Kreislauf! Die Kinder sind übers Wochenende bei der Mutter ihres Vaters. Soll ich weitere bewährte Heilmittel mitbringen?«
    Karen gab überschwenglich zustimmende Laute von sich. Sie wollte nicht Erhans Retsina trinken müssen, wenn der Rotwein nicht reichte.
    Edith Manning klingelte eine Stunde später. Der Riesling, den sie mitbrachte, war vorzüglich. Im Laufe der zweiten Flasche einigten sie sich aufs Du.
    »Wenn das Liebe ist, was die beiden Regler zu ihrem Spiel treibt, dann möchte ich von dieser Teufelsmacht nichts wissen«, sagte Edith bestimmt und hob das Glas mit dem blassen Goldton ans Licht.
    »Hast du nie jemanden geliebt?« Karen fühlte sich äußerst großmütig, sie war geradezu hingerissen von den hehren Gefühlen, die der freiwillige Verzicht auf Gunter bei ihr auslöste, dessen Gesicht, von den letzten Strahlen der Abendsonne veredelt, langsam am Horizont verblaßte. Sie hätte weinen mögen vor Rührung über sich selbst.
    »Meine Kinder«, sagte Edith knapp und bestrich einen runden schwarzen Pumpernickel mit Ziegenkäse.
    »Nein, ich meine…«
    »Meinen Mann.« Alexander Bunge, der tote Bundestagsabgeordnete, der Vater ihrer Kinder. So schwul, wie Edith lesbisch war.
    »Geliebt, Edith. Geliebt.«
    »Meinst du diesen Zustand…« Edith Manning verzog das Gesicht, als ob sie an etwas Ekliges dachte. »Diesen entwürdigendsten aller denkbaren Zustände, in dem man sich für nichts zu schade ist?«
    So in etwa, dachte Karen. So in etwa.
    »Ja, ich habe. Ich habe eine Person bis zur Selbstaufgabe geliebt. Bis sie sagte: Ich mag keine hirnlosen Hühner, die immer nur ›Liebst du mich noch?‹ fragen.«
    Edith sah kämpferisch aus wie eine Straßenkatze, nicht wie ein Huhn, erst recht kein hirnloses. Karen fing an zu lachen. Edith sah mit zusammengekniffenen Augen zu ihr hinüber. Und dann lachte sie mit.
    »Muß Liebe immer so sein?« fragte Karen, nachdem sie eine Weile geschwiegen und getrunken hatten. Edith sah sie unerwartet zärtlich an. »Natürlich nicht. Du darfst nur kein hirnloses Huhn sein.«
    Als sie an die vorletzte Flasche Rotwein gingen, fühlte Karen sich federleicht. Sie holte die letzte Tüte Salzstangen aus der Küche.
    »Was machst du, wenn du deinen Rausch ausgeschlafen hast morgen?« fragte Edith, die auch nicht mehr nüchtern wirkte.
    »Welchen Rausch?«
    »Verstehe«, sagte Edith und kicherte.
    Dann wurde sie ernst. »Karen – ich wünschte, du würdest dir den Fall Regler noch mal gründlich angucken. Ich komme dem Mann nicht auf die Spur.«
    »Und was ist mit der Frau?«
    »Der auch nicht.«
    »Und dem Opfer?«
    »Dem erst recht nicht.« Edith beugte sich vor. Jetzt blitzten ihre Augen wieder. »Karen – Michael Hansen ist noch nicht einmal zur Seite gesprungen, als der Wagen auf ihn zufuhr. Das spricht nicht dafür, daß der Ehemann seiner Geliebten drinsaß.«
    »Aber wenn sie drinsaß?«
    »Dann hat sie ihn im Affekt umgefahren. Erzähl mir nicht, daß sie danach gebremst hat, ausgestiegen ist und ihm kaltblütig den Rest gegeben hat.«
    »Und wenn ihr Mann…«
    »Klar. Aber der hätte es gar nicht erst mit dem Auto versucht. Es gibt nur eine

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