Schneesturm und Mandelduft: Kriminalroman (German Edition)
ertönte.
»Ja, vielleicht«, sagte Erica. »Im Augenblick freuen sie sich wahrscheinlich vor allem, weil ihre Mama wieder zu Hause ist. Ich bin mir aber nicht sicher, ob sie wirklich schon begriffen haben, was passiert ist.«
»Da hast du wahrscheinlich recht.« Kristina betrachtete ihren Sohn. »Und was ist mit dir? Solltest du nicht noch ein bisschen zu Hause bleiben und dich richtig erholen? Niemand dankt es dir, wenn du dich in dieser Dienststelle zu Tode schuftest. Dieser Vorfall war ein Warnschuss.«
»Im Moment geht es dort vermutlich ruhiger zu als hier.« Erica deutete auf die Zwillinge. »Aber ich habe natürlich das Gleiche gesagt.«
»Mir tut es gut, wieder zu arbeiten, aber ich bliebe auch noch eine Zeitlang zu Hause, wenn du mich darum bitten würdest, das weißt du.« Patrik stellte das leere Fläschchen auf den Wohnzimmertisch und legte sich Anton geschickt über die Schulter, damit der sein Bäuerchen machte.
»Wir kommen jetzt ausgezeichnet zurecht.«
Erica meinte das wirklich. Nach Majas Geburt hatte sie ständig das Gefühl gehabt, sich in einem dichten Nebel zu bewegen, aber diesmal war alles anders. Vielleicht hatten die Umstände bei der Geburt der Zwillinge keinen Raum für Depressionen gelassen. Außerdem erwies es sich als günstig, dass sie im Krankenhaus bereits einen festen Rhythmus gefunden hatten. Nun aßen und schliefen sie ganz brav zu bestimmten Zeiten und dazu noch gleichzeitig. Nein, sie machte sich wirklich nicht die geringsten Sorgen, dass sie es nicht schaffen würde, sich um ihre Kinder zu kümmern. Sie war froh über jede Sekunde, die sie mit ihnen verbringen durfte. Um Haaresbreite hätte sie sie verloren.
Sie schloss die Augen, beugte sich nach vorn und legte die Nase an Noels Köpfchen. Einen Moment lang erinnerte sie der zarte Flaum an Anna, und sie kniff die Augen noch fester zu. Hoffentlich kam ihr bald eine Idee, wie sie ihrer Schwester helfen könnte, denn im Moment fühlte sie sich ziemlich hilflos. Sie holte tief Luft und ließ sich von Noels Duft trösten.
»Mein Liebling«, murmelte sie ganz nah an seinem Köpfchen. »Mein Liebling.«
»Wie läuft es denn bei der Arbeit?« Signe bemühte sich um einen unbeschwerten Ton, während sie eine ordentliche Portion Hackbraten mit Erbsen, Kartoffelbrei und Rahmsauce auf einen Teller lud.
Obwohl sie jedes Mal eins seiner Lieblingsgerichte zubereitete, stocherte Matte meist lustlos im Essen herum, seit er wieder in Fjällbacka wohnte. Es war fraglich, ob er allein in seiner Wohnung überhaupt etwas zu sich nahm. Er war jedenfalls spindeldürr. Gott sei Dank sah er jetzt, da die Spuren der Misshandlungen verschwunden waren, wieder gesünder aus. Als sie ihn damals im Sahlgrenska-Krankenhaus besuchten, hatte sie vor Schreck einen Schrei ausgestoßen. Ein Wrack war er gewesen. Sein Gesicht war so stark angeschwollen, dass man ihn kaum erkennen konnte.
»Gut.«
Signe zuckte zusammen, als sie seine Stimme hörte. Die Antwort hatte so lange auf sich warten lassen, dass sie bereits vergessen hatte, eine Frage gestellt zu haben. Matte durchpflügte den Kartoffelbrei mit der Gabel und schob ein Stück Hackbraten darauf. Sie ertappte sich dabei, dass sie dem Bissen atemlos hinterherblickte.
»Hör auf, den Jungen beim Essen so anzustarren«, brummte Gunnar. Er nahm sich bereits die zweite Portion.
»Entschuldige.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich … bin nur froh, dass du etwas isst.«
»Ich werde nicht verhungern, Mutter. Siehst du? Ich esse doch.« Wie zum Trotz belud er die Gabel noch einmal schwer und schaufelte sich die Fuhre hastig in den Mund.
»Du wirst dich doch bei der Gemeinde nicht überarbeiten?«
Signe fing sich noch einen irritierten Blick von Gunnar ein. Sie wusste, dass er sie für viel zu fürsorglich hielt und der Meinung war, sie solle den Jungen ein bisschen in Ruhe lassen. Aber sie konnte nichts dagegen machen. Matte war ihr einziges Kind, und seit seiner Geburt an diesem Dezembertag vor fast vierzig Jahren wachte sie in regelmäßigen Abständen in einem vollkommen durchgeschwitzten Nachthemd auf und hatte nichts als Ängste, Alpträume und Horrorszenarien im Kopf, die ihm womöglich zustoßen könnten. Dass es ihm gut ging, war das Wichtigste auf der Welt. So hatte sie das immer gesehen. Und sie wusste, das galt auch für Gunnar. Auch er vergötterte den Sohn. Er war jedoch in der Lage, die dunklen Gedanken, die die Liebe zu einem Kind mit sich brachte, ein wenig von sich fernzuhalten.
Ihr
Weitere Kostenlose Bücher