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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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stehen
bleiben?«
    Hambrock hatte eine ganze Weile im Schutz des Bushäuschens
gewartet, in der Hoffnung, dass der Himmel aufklaren und der Regen nachlassen
würde. Doch nichts dergleichen geschah. Irgendwann kam der Bus nach Stadtlohn
vorbei, und Hambrock machte dem Fahrer mit Handzeichen klar, dass er nicht auf
ihn, sondern auf das Abklingen der Niederschläge wartete. Der Fahrer
beschleunigte grüßend, und die Reifen schleuderten eine Ladung Spritzwasser ins
Häuschen.
    Hambrock fluchte. Er sah ein, dass es keinen Sinn hatte zu warten.
Mit einem Seufzer zog er sich den Mantelkragen über den Kopf und rannte zurück
zum Hof.
    Der Regen prasselte erbarmungslos auf ihn nieder. Binnen Sekunden
war er durchnässt. Unter dem Rundbogen des Tennentors brachte er sich in
Sicherheit. Er atmete durch und begutachtete seine triefende Kleidung.
    »Verfluchter Mist«, murmelte er.
    Das Tor stand einen Spalt weit offen, und der Hofhund lief ihm
schwanzwedelnd entgegen. Er sprang aufgeregt um ihn herum und gab ein
fröhliches Bellen von sich. Hambrock lächelte. Das musste derselbe Hund sein,
der Heike mit einem aggressiven Knurren begrüßt hatte.
    »Richtig so, mein Lieber.« Er streichelte ihn und trat durch das
Tor. »Brav, ganz brav.«
    Die alte Tenne diente als Werkraum und Geräteschuppen. Neben
Sackkarre, Rasenmäher und Hochdruckreiniger entdeckte er eine riesige Werkbank,
auf der ein kaputter Ventilator aus dem Maststall repariert wurde. Dahinter
standen eine Reihe Fahrräder und eine große selbst gezimmerte Holzkiste, in der
die Äpfel der diesjährigen Ernte lagen.
    Hambrock erspähte die Tür, die zum Wohnhaus führte. Er fragte sich,
ob die Burtrups wohl etwas dagegen hätten, wenn er einfach durch die Tenne ins Haus
ginge, anstatt außen herum zu laufen. Aus eigener Erfahrung wusste er, dass auf
dem Land die meisten Besucher diesen Weg nahmen, vom Nachbarjungen bis zum
Postboten, lediglich Fremde klingelten an der Haustür.
    Er blickte durchs Tor nach draußen. Eine wahre Sintflut ergoss sich
über den Hof. Er beschloss, die Hintertür zu nehmen. Die Klinke bereits in der
Hand, hielt er inne. Ein Schuhbänkchen an der Wand fiel ihm ins Auge. Dort
standen neben einer Reihe von Arbeitsschuhen zwei Paar Gummistiefel, das größere
der beiden konnte seiner Einschätzung nach durchaus die Schuhgröße
vierundvierzig haben.
    Zögernd trat er näher. Er hob den linken Stiefel des Paares hoch und
drehte ihn vorsichtig um. Verblüfft betrachtete er die Unterseite. Eingetretene
Steinchen hatten ein Muster in der Sohle hinterlassen. Ein unverkennbares
Muster. Es glich dem Sternbild des Großen Wagens. Ganz zweifelsfrei hielt er
den Stiefel in der Hand, nach dem sie suchten.
    Ein paar Minuten später hatte er Jens Burtrup, dessen Mutter und Heike
Holthausen um das Stiefelpaar versammelt. Er wollte als Erstes erfahren, wer
der Besitzer war.
    »Die Stiefel gehören niemand Bestimmtem«, sagte Frau Burtrup mit
wachsender Aufregung. »Da steigt derjenige rein, der gerade aufs Feld will. Das
können mein Mann oder auch meine Söhne sein.« Sie blickte Hambrock an, als
rechnete sie fest damit, dass als Nächstes ihre gesamte Familie in Handschellen
abgeführt würde. »Ich verstehe auch nicht, weshalb das so wichtig ist.«
    »Es ist deshalb so wichtig, weil wir einen Abdruck dieses Stiefels
am Leichenfundort gesichert haben. Er muss dort hinterlassen worden sein, als
Sandra Hahnenkamp ermordet wurde.«
    Frau Burtrup schlug sich die Hand vor den Mund.
    »O mein Gott«, flüsterte sie. »Heißt das etwa …?«
    »Das heißt noch gar nichts. Trotzdem möchte ich mich mit Ihrem Mann
und Ihren Söhnen über Sandra Hahnenkamp und die Tatnacht unterhalten.«
    Doch so leicht gab die Bauersfrau nicht nach.
    »Das ist Unsinn! Die kann doch jeder angezogen haben!«
    Sie riss der verdutzten Heike Holthausen die Liste mit den
Partygästen aus der Hand und hielt sie Hambrock vors Gesicht.
    »Jeder von denen hätte die Stiefel nehmen können! Mein Mann und ich
haben im Wohnzimmer ferngesehen und sind dann früh zu Bett gegangen. Wir hätten
bestimmt nicht bemerkt, wenn einer von den Gästen auf die Tenne gekommen wäre.
Der Hund genauso wenig, für ihn waren das ja keine Einbrecher. Verstehen Sie,
was ich meine? Jeder auf dieser Liste ist genauso verdächtig wie mein Mann und
meine Kinder.«
    Hambrock warf seiner Kollegin einen erstaunten Blick zu. Heike
lächelte amüsiert, ganz so, als wollte sie sagen: Sorry, aber der Punkt geht an
sie. Mit

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