Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
flüchtige Sekunden das Gesicht des ermordeten Altenpflegers auf, und sie erschauderte. »Das bestätigt unsere Theorie vom Profi.«
»Absolut«, stimmte Lübke ihr zu. »Des Weiteren haben wir die Sachen durchgesehen, die Ackermanns Schwester nach seiner Verurteilung einlagern ließ. Oh Mann, hatte die Frau eine Panik, dass man ihr irgendwas nachsagt!« Er kicherte. »Sie hat sogar noch die Klorollen fein sorgfältig eingetütet und in Kisten verpackt. Dreizehn Kartons voll mit Banalitäten. Und dazu ein paar Möbel, die du wirklich nur noch auf den Sperrmüll stellen kannst. Aber inmitten des ganzen Krempels ist mir was aufgefallen.«
»Spuck’s aus, oder ich platze!«
»Okay. Also, da war ein Briefblock. Ich hab mich gewundert, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass einer wie Ackermann überhaupt irgendwas schreibt. Aber es fehlten ein paar Blätter. Also hab ich mir die Mühe gemacht, zu rekonstruieren, was auf dem letzten Bogen gestanden haben muss.«
»Und?«, drängte Winnie.
»Ich hab’s dir auch noch mal per Mail geschickt und …«
Sie sprang auf und hastete zum Tisch, um ihr Notebook anzuwerfen. »Ja?«, rief sie. »Erzähl weiter!«
»Keine Ahnung, ob dir das irgendwas bringt, aber es sieht so aus, als ob sich dein Opfer irgendwelche kryptischen Namen notiert hätte.«
»Was für Namen?«
»Irgendwas Pseudolateinisches. Oder -griechisches. Oder so was. Aber natürlich können die Namen auch einfach zu irgendeinem bescheuerten Computerspiel gehören. Allerdings stand auch noch so was wie ein Termin auf dem Blatt. Und zumindest das schien mir eine Erwähnung wert.«
»Ich schau gleich mal drüber«, sagte Winnie, wobei sie versuchte, so beiläufig wie möglich zu klingen.
Sie öffnete ihr E-Mail-Programm und anschließend die entsprechende Datei. Lübke hatte die durchgedrückten Schriftzüge mit Hilfe irgendwelcher Chemikalien sichtbar gemacht und anschließend abfotografiert, sodass das Geschriebene gut zu lesen war:
Imperator/Hidalgo.
Mithra.
NicNic.
23 . 07 .: Telefonat mit Büro MB , Donnerstag, 10 : 30 .
Dazu eine Telefonnummer in Frankfurt.
Winnie stutzte. Die ersten Ziffern kamen ihr bekannt vor. 13 67 … War das nicht eine städtische Nummer?
»Falls du über die Telefonnummer stolperst«, bemerkte Lübke in diesem Augenblick folgerichtig, »die habe ich bereits überprüft.«
»Und?«
»Sie gehört zur Staatsanwaltschaft.«
»Staatsanwaltschaft?« Winnie runzelte die Stirn. Zugleich hörte sie auf einmal wieder Bredeneys Stimme:
Soll ’ne Art Eliteklub gewesen sein. Alles hohe Tiere. Politiker, Richter, Staatsanwälte …
Staatsanwälte!, dachte Winnie. Laut sagte sie: »Hast du einen Namen?«
»Ja und nein«, antwortete Lübke.
»Hey, ich hab keinen Bock auf Spielchen, okay?«
Er seufzte. »Der Anschluss war damals, also zum Zeitpunkt von Ackermanns Verhaftung, einem von neunzehn leitenden Oberstaatsanwälten der Behörde zugeteilt. Sein Name war Mario Belting.«
»War?«
»Ja, war. Belting ist tot.«
In diesem verdammten Fall sind alle tot, resümierte Winnie mit einer Mischung aus Wut und Unglauben. »Seit wann?«
»April 2006 «, las Lübke aus irgendwelchen Notizen ab.
»Da saß Ackermann bereits im Knast.«
»Stimmt.«
»Und weißt du zufällig auch, woran dieser Belting gestorben ist?«
»Nein, tut mir leid.«
»Macht nichts, ich behalte das auf jeden Fall im Hinterkopf. Danke.«
»Ach was, wofür denn?«
»Zum Beispiel dafür, dass du mir zuhörst«, sagte Winnie, und zu ihrer eigenen Überraschung meinte sie das wirklich so.
»He, ist doch klar.« Lübke schien ernsthaft verlegen. »Ich habe dir übrigens auch mal gesagt, dass du mich jederzeit anrufen kannst, erinnerst du dich?«
»Wie könnte ich das vergessen.« Winnie lächelte. Schließlich war gerade dieses Versprechen der Grund, dass sie ihn überhaupt so weit an sich herangelassen hatte. Sie hielt erschrocken inne, kaum dass ihr Verstand den Gedanken formuliert hatte:
Ich habe ihn an mich herangelassen. Er ist mir nah. Er könnte mir wehtun.
Warum macht mir das eigentlich solche Angst?, überlegte sie. Was stimmt da nicht mit mir? Ist es nicht normal, dass man Freunde hat? Bekannte? Menschen, die irgendwas über einen wissen?
Lübke schien zu spüren, dass etwas in ihr vorging. »Wie wär’s, wenn ich noch für ’n Stündchen bei dir vorbeikomme«, schlug er hoffnungsvoll vor. »Ich bring auch was vom Chinesen mit und …«
»Nein«, sagte Winnie hastig. »Das geht nicht.«
Und
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