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Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Tirade von Jamila Hartwig zuvor.
    Regina Göbels ausdrucksstarke Züge verfinsterten sich, und sie wirkte auf einmal deutlich älter als einundsiebzig. »Irgendjemand in diesem Haus zerschlitzt Polstermöbel und beschmiert Wände mit Fäkalien«, flüsterte sie. »Ganz abgesehen davon, dass immer wieder Dinge verschwinden.«
    »Das stimmt«, sprang Jamila Hartwig auch auf diesen neuen Zug bereitwillig auf. »Meine Brosche ist immer noch nicht wiederaufgetaucht. Dabei bin ich, verdammt noch mal, ganz sicher, dass sie an ihrem Platz auf meinem Nachtschrank gelegen hat und dass ich sie mitnichten irgendwo in der Stadt verloren habe, wie gewisse Pflegekräfte auf dieser Station mir weismachen wollen.«
    »Hast du mit Frau Theunes darüber gesprochen?«, fragte Kurt Söhnlein, der den vorausgegangenen Wortwechsel zwar mit halbgeschlossenen Augen, aber unübersehbarem Interesse verfolgt hatte.
    »Klar. Ich habe Meldung gemacht, gleich nachdem ich es bemerkt hatte. Aber die verehrte Frau Verwaltungsdirektorin hat sich schlichtweg geweigert, die Sache an die Polizei weiterzuleiten.«
    »Sie hat einen Ruf zu verlieren«, versuchte Regina Göbel, ihre Mitbewohnerin zu beschwichtigen, doch Jamila Hartwig war nicht zu bremsen.
    »Nein!«, blaffte sie. »Sie hat ihre Angestellten nicht im Griff! Das ist was vollkommen anderes! Aber das kommt, weil sie bei der Einstellung bloß auf das Zeugnis und auf die Gehaltsvorstellung des Bewerbers schaut anstatt auf dessen Persönlichkeit. So was rächt sich immer!«
    »Was rächt sich?«, erkundigte sich in diesem Augenblick eine weiche Männerstimme in ihrem Rücken.
    Jamila Hartwig drehte sich um und blickte Jörg Thalau direkt in die Augen.
    »Nichts, das Sie irgendwas anginge«, entgegnete sie patzig.
    Dann entschwand sie grußlos Richtung Lift.
    »Nehmen Sie’s ihr nicht übel«, sagte Regina Göbel sanft. »Sie ist zu uns allen so.«
    Thalau nickte nur. »Sie regt sich immer noch auf, weil ihre Brosche weg ist, nicht wahr?«, fragte er, und sein teigiges Gesicht wirkte so unbeteiligt wie immer, auch wenn er sich über den ruppigen Ton der alten Dame geärgert haben musste.
    »Sie regt sich nicht nur auf«, versetzte Söhnlein. »Sie behauptet, dass hier ein Dieb umgeht.«
    »Vielleicht ist das ja gar nicht so weit hergeholt.«
    »Ist mir da irgendwas entgangen?«
    Thalau schenkte ihm ein überaus sparsames Lächeln. »Mir ist selbst erst vor kurzem eine Armbanduhr abhandengekommen.«
    »Abhandengekommen?« Regina Göbel betrachtete ihn aufmerksam. »Wie?«
    »Ich hatte einen Patienten gebadet und die Uhr, genau wie immer, vorher abgenommen und auf die Ablage in der Umkleide gelegt. Aber als ich eine Dreiviertelstunde später zurückkam, war sie weg.«
    Söhnlein schüttelte den Kopf. Ob aus Missbilligung oder Unglauben, blieb sein Geheimnis.
    »Sie war nicht besonders wertvoll, aber ich mochte sie.«
    »Wen?«, wollte Grit Backes wissen, die in diesem Augenblick mit einem Tablett voller Medikamente um die Ecke bog.
    »Meine Uhr«, antwortete Thalau.
    »Herrgott, fängst du schon wieder an?«
    »Frau Hartwig vermisst ihre Brosche.«
    »Ich weiß«, fauchte die Stationsleiterin ihren Mitarbeiter an. »Und wenn du dich endlich dazu aufraffen könntest, ihr beim Suchen zu helfen, anstatt hier die Pferde scheu zu machen, wäre dieses Problem längst gelöst.«
    »Das glaube ich kaum«, entgegnete Thalau vieldeutig. Aber er trollte sich.
    »Dem kann man wirklich im Gehen die Schuhe besohlen«, murmelte Söhnlein wenig freundlich.
    »Braucht jemand von Ihnen noch irgendwas für die Nacht?«, fragte Grit Backes kühl.
    Regina Göbel und Elisabeth Fersten verneinten prompt, doch Söhnlein hob die Hand wie ein Erstklässler.
    »Bitte, Herr Söhnlein? Was darf’s sein?«
    »Eine Flasche Beaujolais, ein paar russische Nutten und zwei von diesen kleinen blauen Wunderpillen.«
    Die Übrigen blickten ihm kopfschüttelnd nach, als er Richtung Cafeteria davonging und sein Lachen in den hohen Gängen verhallte.
    10
    »So was wie die Templer!« Winnie Heller schüttelte freudlos den Kopf und kramte einen Stapel Werbesendungen aus ihrem zerbeulten Briefkasten. Dann schleppte sie sich die fünf Treppen zu ihrem Apartment hinauf.
    Das Treppenhaus verströmte den typischen Geruch vieler verschiedener Menschen, die dicht beieinander wohnten: Gedünsteter Kohl mischte sich mit Knoblauch und Thymian, erkaltetem Zigarettenrauch und Parfüm. Irgendwo schrie ein Kind, doch das nahm Winnie nur ganz am Rande

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