Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
bevor der Veteran des KK 11 noch etwas erwidern konnte. Wieso glaubten eigentlich immer alle, dass sie nicht imstande sei, ihren Kram selbst zu regeln?
»Ick schätze, det jeht uns beide an«, knurrte Dr. Gutzkow, indem sie Winnie das Display ihres Pagers entgegenhielt.
»Nachschub für deinen Tisch?«, fragte ihre Freundin.
»Jap«, entgegnete die Pathologin knapp. Vielleicht, weil sie das Gefühl hatte, dass ein Gespräch über ihren Job, wie freundlich man ihn auch umschrieb, nicht unbedingt für Kinderohren geeignet war.
Doch es war bereits zu spät. »Was für ein Tisch?«, wollte Nina wissen.
»Äh …«, machte Dr. Gutzkow.
»Isabelle restauriert in ihrer Freizeit alte Möbel«, log derweil ihre Freundin mit ungeniertem Vergnügen.
»Und was hat Winnie damit zu tun?«
»Wieso?«, fragte Helga Brunckhorst, wahrscheinlich, um Zeit zu gewinnen. Offenbar hatte sie Ninas Intellekt unterschätzt.
»Tante Isabelle hat gesagt, dass es sie beide angeht.«
Dr. Gutzkow biss sich schuldbewusst auf die Lippen, während Winnie eilig neben der Tochter ihres Vorgesetzten in die Knie ging. Höchste Zeit, diesen Eiertanz zu beenden!
»Hör zu«, begann sie behutsam. »Dieser Anruf eben, der kam aus dem Präsidium, und ich fürchte, ich muss …«
»Mama ist zu Hause«, seufzte Nina mit der Routine der Polizistentochter. Trotzdem stand ihr die Enttäuschung deutlich ins Gesicht geschrieben.
Winnie fühlte, wie sich ihr Herz unter dem Blick der Kleinen zusammenzog. »Gut, dann fahre ich dich jetzt heim, ja?«
»Das könnte ich tun«, erbot sich Helga Brunckhorst. »Wenn Sie stattdessen Isabelle mitnehmen, verlieren Sie keine weitere Zeit.« Sie zuckte die Achseln. »Die Alternative wäre, dass Isabelle mich hier stehen lässt, sich den Wagen schnappt und wohin auch immer eilt, um ihren Job zu tun, während ich auf ein Taxi warte …«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte Winnie, wobei sie nicht ganz sicher war, ob es nicht
ihr
etwas ausmachte. Oder was Verhoeven davon halten würde. Immerhin hatte er seine Tochter nicht Dr. Gutzkows Freundin, sondern ihr anvertraut. Glücklicherweise begann in diesem Moment ihr Handy zu klingeln.
»Heller«, meldete sie sich ausnahmsweise mit ihrem Namen, weil sie sah, dass die Rufnummer unterdrückt war.
»Ich bin’s«, sagte Verhoeven. »Ich hab von Oskar gehört, dass …«
»Wir haben bereits eine Lösung gefunden«, unterbrach Winnie ihren Vorgesetzten, bevor er irgendwelche falschen Schlüsse ziehen konnte. »Das heißt natürlich nur, wenn es Ihnen recht ist.«
»Eine Lösung?« Verhoeven schien irritiert. »Wofür?«
»Ich stehe hier gerade mit Dr. Gutzkow«, erklärte Winnie, während die Pathologin zum Scherz salutierte. »Und ihre Partnerin hat sich bereit erklärt, Nina nach Hause zu bringen, wenn das für Sie okay ist.«
Doch ihre Erklärung schien ihren Vorgesetzten noch mehr zu verwirren. »Wessen Partnerin?«, hakte er nach.
»Dr. Gutzkows.«
»Oh«, machte Verhoeven, und er schaffte es tatsächlich, eine Welt von Bedeutung in dieses eine harmlose Wort zu legen. »Das … äh … ist ja großartig. Ich meine, ich könnte natürlich auch …«
Winnie konnte förmlich hören, wie seine Gedanken ratterten.
Eine Partnerin? Bedeutet das etwa, dass die Gutzkow ein Privatleben hat? Normale soziale Kontakte?
»Ich könnte auch vorbeikommen, und wir fahren dann gemeinsam …«
»Das ist wirklich nicht nötig«, unterbrach sie ihn erneut. »Das heißt, falls es stimmt, dass Ihre Frau zu Hause ist.«
»Ja, ist sie«, bestätigte Verhoeven. »Jan hat Mittelohrentzündung.«
Aha …
»Gut. Dann sehen wir uns also gleich am Tatort, ja?«
»Ja. Bis gleich.«
Winnie beendete das Gespräch und nahm Nina sanft bei den Schultern. »Das mit dem Kuchen holen wir nach, ja?«
Doch die Tochter ihres Vorgesetzten blickte zu Boden. »Hm.«
»He, sieh mich an, okay? Ich verspreche es dir.«
Ein kurzer zweifelnder Blick. Sie war gerade mal sechs Jahre alt, aber sie wusste schon allzu gut, wie dieser Job funktionierte. Wie wenig kalkulierbar er war. Wie viel dazwischenkommen konnte. »Und wann?«, fragte sie.
Winnie schluckte. »Gleich nächste Woche, wenn es deine Eltern erlauben.«
»Wann nächste Woche?«
»Wie wär’s mit Montag?«
Da hatte sie nämlich frei. Also, rein theoretisch zumindest …
»Ja.« Ninas Miene hellte sich etwas auf. »Montag.«
»Okay, dann sind wir uns ja einig. Dann gehst du jetzt mit Frau Brunckhorst, und ich erledige meine Arbeit,
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