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Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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strahlte. »Danke sehr.«
    »Halt! Moment! Den lassen wir aber schön hier stehen, ja?«
    Ilse Brilons Finger krallten sich fester um den Zuckerstreuer. »Nein. Lassen Sie das. Der gehört mir.«
    Doch die Frau mit der Kaffeekanne ließ nicht locker. »Aber Frau Brilon. Der Zucker ist für alle da. Den können Sie nicht einfach …«
    »Doch!« Sie war selbst überrascht, wie fest ihre Stimme klingen konnte. »Der gehört mir. Ich habe ihn gefunden.«
    »Gefunden? Wo?«
    »Das geht Sie gar nichts an. Und jetzt muss ich gehen.«
    Ihr Lächeln wirkte irgendwie herablassend. »Sie dürfen gern aufstehen, aber der Zucker bleibt hier.«
    »Aber ich muss ihn verstecken.«
    »Verstecken? Vor wem?« Wenn sie lachte, strahlten ihre Zähne wie Elfenbein. Trotzdem traute sie ihr nicht über den Weg. Die Welt war ein gefährlicher Ort. Und die Tatsache, dass einem jemand bekannt vorkam, garantierte keineswegs, dass der Betreffende harmlos war. Etwas, das sie bereits vor langer Zeit gelernt hatte.
    »Frau Brilon?«
    »Ja?«
    »Vor wem wollen Sie den Zucker verstecken? Vor Frau Hartwig?«
    Immer dieser Kleinkinder-Tonfall! Als ob sie ein Haufen von Idioten wären! »Frau Hartwig? Unsinn!«
    »Sondern?«
    »Na, vor der Gestapo.«
    Vor wem denn sonst?!
    Ihr war, als verliere das Elfenbeinlachen plötzlich an Wärme. »Gestapo? Nee, nee, meine Liebe. Da verwechseln Sie was. Die Gestapo hat sich gottlob schon vor sehr langer Zeit erledigt.«
    Ilse Brilon schüttelte den Kopf. Wie dumm die Menschen doch waren! Wenn man Zucker hatte, versteckte man ihn am besten so schnell wie möglich. Wer weiß, wann es wieder welchen gab!
    »Na, kommen Sie schon … Geben Sie mir den Zucker.«
    Irgendjemand sagte: »Lassen Sie sie doch. Sie stellt ihn doch bloß in ihren Schrank. Zu den verfaulten Bananen. Da können Sie ihn sich heute Abend wiederholen.«
    Oh nein, dachte sie, während sie sich in den Gesichtern der anderen umsah. So dumm bin ich nicht. Wenn ich etwas verstecke, dann bestimmt nicht an einem Ort, mit dem ihr alle rechnet!
    »Passen Sie auf, Frau Brilon, ich mache Ihnen einen Vorschlag …«
    Dieser Tonfall!
    »Wir stellen den Streuer jetzt einfach wieder hier auf den Tisch, einverstanden?« Diese Person war wirklich hartnäckig. »Da können Sie ihn immer sehen, und ich verspreche Ihnen auch, dass niemand kommt und ihn wegnimmt.«
    Ilse Brilon blickte sich sorgfältig um, um sich zu vergewissern, dass die anderen bereits wieder in andere Gespräche vertieft waren. Dann bedeutete sie der Schwarzen, sich dicht zu ihr herunterzubeugen. »Sie irren sich, Kindchen«, flüsterte sie in das erstaunlich große Ohr, das angenehm nach Vanille duftete. »Sie müssen viel vorsichtiger sein, wenn Sie überleben wollen.«
    Und wieder dieses Unverständnis. Wie naiv diese jungen Dinger waren!
    Ilse Brilon seufzte. »Glauben Sie mir«, flüsterte sie. »Sie dürfen niemals sicher sein, dass sie fort sind. Ganz egal, was die anderen Ihnen erzählen.«
    »Dass wer fort ist?«, fragte die Frau viel zu laut, und Ilse Brilon hätte ihr am liebsten eigenhändig den Mund zugehalten. Doch das traute sie sich nicht. Die andere sah ziemlich stark aus.
    »Die Gestapo«, flüsterte sie. »Ich habe sie selbst gesehen. Und jetzt geben Sie mir den verdammten Zucker und verstecken Sie sich.«
    6
    Das Gesicht des Toten war bläulich verfärbt, wies jedoch – abgesehen von ein paar Rissen im Bereich der Mundwinkel – keine sichtbaren Verletzungen auf. Doch im Schnee rund um die Leiche waren deutlich Spuren von Erbrochenem zu erkennen.
    »Er trug seine Brieftasche bei sich, der Personalausweis war drin.« Hermann-Joseph Lübkes fleischiger Zeigefinger wies auf eine Reihe von Beweistütchen, die er bereits in seinem Einsatzkoffer verstaut hatte, während Dr. Gutzkow neben der Leiche niederkniete und erste Untersuchungen vornahm. Nach dem Geplänkel vom Parkplatz und einem reichlich schleppenden Gespräch während der Fahrt schien sie fast dankbar zu sein, wieder hinter ihrer Professionalität in Deckung gehen zu können.
    »Joachim Ackermann«, erklärte unterdessen Lübke. »Einunddreißig Jahre alt und gelernter Altenpfleger.«
    »Wir haben die Daten bereits überprüft und sind auf ein paar interessante Aspekte gestoßen«, ergänzte Verhoeven, der einen eleganten grauen Wollmantel trug und ziemlich abgekämpft wirkte.
    »Nämlich?«
    »Dass er erst vor einer Woche aus dem Gefängnis entlassen wurde.«
    Winnie horchte auf. »Weswegen hat er gesessen?«
    Verhoeven

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