Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
durchgestylten Designerquatsch, mit dem sich die Reichen und Schönen so gern systematisch ihre Wohnzimmer verschandeln. Funktionalität, das ist es, worauf’s im Leben ankommt. Funktionalität und Effizienz.« Seine Hand unterstrich die Bemerkung mit einem vorsichtigen Schlag auf die Sessellehne. »Nachdem ich meine Lehrjahre hinter mir hatte, habe ich immer gut verdient.« Er nickte zufrieden. »Verdammt gut sogar. Aber ich habe auch zeit meines Lebens verdammt viel Geld ausgegeben, das können Sie mir glauben.« Er hielt inne und summte dann plötzlich ein paar Takte Sinatra.
I did it my way …
Winnie summte lächelnd mit.
»Sagen Sie nur, ein junges Ding wie Sie kennt diese alte Klamotte«, prustete Olivier hinter seinen Schläuchen.
»Na klar«, entgegnete sie. »Ist doch ’n Klassiker. Außerdem bin ich schon lange kein junges Ding mehr, falls es Sie interessiert. Junge Dinger passen in Tally-Weijl-Klamotten und träumen von Brustimplantaten.«
Er grinste noch breiter, und automatisch suchten seine Schweinsäuglein ihre Oberweite. Als ihm dies bewusst wurde, wandte er den Blick ab. »Wissen Sie, ich habe nie groß nachgedacht«, bekannte er, während er mit nachdenklicher Miene in den Garten hinausstarrte. »Es schien mir, im Gegenteil, immer weitaus klüger zu sein, das Hier und Jetzt zu genießen.«
»Wahrscheinlich ist es das.«
Oliviers Augen kehrten zu ihr zurück. Er spürte, dass mehr hinter dieser banalen Bemerkung steckte, aber er war zu anständig, sie danach zu fragen. Trotz des Jobs, den er sein Leben lang so meisterhaft beherrscht hatte und in dem er sich Skrupel und Sentimentalitäten ganz sicher nicht hatte leisten können.
Komischer Typ, dachte Winnie. Ein Gentleman im Gewand des verlotterten Lebemannes. »Ich hab’s an meiner Schwester gesehen«, erklärte sie nach einem Moment des Zögerns, weil sie tatsächlich das Bedürfnis hatte, es ihm zu erklären. »Sie war sehr fleißig und auch sehr talentiert.«
Das Wort »war« ließ ihn aufhorchen.
Winnie sah es, auch wenn Olivier keine Miene verzog. »Elli war ein Mensch, der von seinen Anlagen her ganz sicher die größten Möglichkeiten hatte«, fuhr sie fort. »Allerdings begann fast jeder zweite ihrer Sätze mit den Worten: Wenn ich erst mal …« Winnie starrte auf die reinweiße Decke. »Wenn ich erst mal den dritten Satz dieser oder jener Sonate kann, wenn ich erst mal im Studium bin, wenn ich dieses Konzert erst mal mit großem Orchester spiele und so weiter und so fort.« Sie seufzte. »Ich glaube, sie hat sich nie wirklich an dem erfreut, was gerade aktuell war.«
»Wie alt ist sie geworden?«, fragte Olivier, urplötzlich fast sanft.
»Neunzehn, eigentlich.«
Seine Stirn warf Falten.
Eigentlich …
»Davor lag sie sieben Jahre im Koma.«
Der lange Blick, mit dem er sie bedachte, war weder aufdringlich noch übertrieben mitleidsvoll. »Scheiße.«
»Ja«, sagte Winnie. »So kann man das mit Fug und Recht ausdrücken.«
»Zwei Zimmer weiter liegt ’ne junge Frau«, bemerkte Olivier nach einer Weile wie zu sich selbst. »Ende dreißig, verheiratet, zwei Kinder. Der Mann hat ’ne Neue, die Mädchen gehen shoppen und träumen von Brustimplantaten, und ihre Eltern kümmern sich um die Firma, die sie noch kurz vor ihrem Unfall gegründet hat. Sie ziehen, was man so hört, jede Menge Profit daraus, weil ihre Tochter ein verdammt gutes Gespür dafür hatte, was in Kürze Trend wird.« Sein fleischiges Kinn zitterte, als er den Kopf gegen den Sessel lehnte. »Aber jetzt raten Sie mal, wer sie besucht.«
»Keine Ahnung.«
»Ihr Vermieter.«
»Tja«, lächelte Winnie. »Wie das so ist …«
»Ja«, nickte Olivier. »Wie das so ist.«
»Sagen Sie, haben Sie jemals davon gehört, dass Mario Belting Leute davonkommen ließ?«, versuchte Winnie, das Gespräch wieder auf ihr eigentliches Anliegen zu lenken.
»Was für Leute?«
»Leute, die eigentlich hinter Gitter gehört hätten.«
Olivier grinste. »Die meisten Leute gehören eigentlich hinter Gitter.«
»Sie wissen, was ich meine.«
»Ach, wissen Sie«, antwortete Olivier ausweichend, »hören tut man viel. Die Frage ist immer, ob es stimmt, was man so hört.«
»Sie selbst haben also keine einschlägigen Erfahrungen mit Belting gemacht?«
Seine Antwort kam schnell und ließ wenig Raum für Zweifel. »Nein, könnte ich jetzt nicht sagen.«
»Aber es gab durchaus Gerüchte, die besagten, dass er bestechlich war, nicht wahr?«, insistierte Winnie.
Olivier antwortete
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