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Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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einzunehmen.«
    Winnie verzichtete darauf, Olivier daran zu erinnern, dass sie Mario Belting nie persönlich begegnet war und schon allein aus diesem Grund wenig über seine Wirkung sagen konnte. Stattdessen wartete sie einfach ab, dass er von sich aus weitersprach. Doch dazu kam es erst mal nicht, weil ein neuerlicher Hustenanfall seinen massigen Körper erzittern ließ.
    Winnie reichte ihm die Schnabeltasse, die neben ihm auf einem kleinen Tischchen stand, und wartete geduldig, bis der Sturm in seinen Bronchien wieder abflaute.
    Als Olivier schließlich fortfuhr, war sein Gesicht noch immer dunkellila vor Anstrengung. »Marios Vater stammte übrigens aus Nordspanien. San Sebastián, glaube ich. Carlos Alvarez y Gomez d’Alperga.« Er schüttelte den Kopf, halb bewundernd, halb verächtlich. »Schon der Name ist eine einzige Anmaßung, finden Sie nicht? Aber er passte wie die Faust aufs Auge. Die Familie war bettelarm, doch sie waren stolz wie die Fürsten. Vor allem die Söhne. Und die Weiber standen drauf, kann ich Ihnen sagen. Allen voran Nora Belting.« Seine Augen schweiften erneut ab. Zum Fenster. Vermutlich hatte er nie viel Zeit an frischer Luft verbracht und wunderte sich jetzt darüber, dass ihm der düstere Garten da draußen trotz der Kälte wie eine Verheißung vorkam. »Sie lernte Carlos Alvarez auf irgendeinem Fest kennen und fasste noch am selben Abend den Entschluss, dass sie ihn unbedingt haben müsse. Und sie bekam ihn. So wie sie alles bekam, was sie haben wollte. Allerdings …« Oliviers Kichern war im Grunde viel zu boshaft für einen, der mit einem Fuß im Grab stand. »Allerdings gehörte der gute Kalle ihr nie exklusiv.«
    »Sie meinen, Carlos Alvarez betrog seine Frau?«, fragte Winnie, ohne zu wissen, ob diese Informationen sie irgendwie weiterbrachten.
    »Na klar. Von Anfang an.« Oliviers Hand wedelte ein wenig leichter als zuvor durch die abgestandene Krankenzimmerluft. Offenbar lenkte ihn das Gespräch von seinen Schmerzen ab. »Aber wenn Sie glauben, dass sie mir deswegen leidgetan hätte, sind Sie schiefgewickelt. Nora war keinen Deut besser als ihr Mann.«
    »Ging sie auch fremd?«
    »Ach was«, gab Olivier zurück. »An Sex hatte sie nie irgendein Interesse, dazu reichten ihre Gefühle nicht aus.« Sein Blick wurde anzüglich. »Aber Burton und Taylor hätten von den beiden trotzdem noch ’ne ganze Menge lernen können, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Er kicherte vergnügt. »Später, als sie schon ein wenig älter und müder geworden waren, gingen sie dazu über, dass er dreihundertfünfzig Tage im Jahr irgendwo in der Weltgeschichte rumgurkte, um zu tauchen oder Golf zu spielen, während sie sich schon frühmorgens die harten Sachen hinter die Binde kippte.«
    »Und Mario?«
    »Der ging damals noch zur Schule.«
    »Nein«, sagte Winnie. »Mich interessiert, wie er sich dabei fühlte.«
    Die Frage schien Olivier zu überraschen. »Hab ich nie groß drüber nachgedacht, muss ich zugeben.« Er zögerte. »Ich meine, sie bekamen es natürlich vorn und hinten reingeschoben, als Ausgleich dafür, dass sich niemand für sie interessierte. Aber trotz allem wirkten sie auf mich immer erstaunlich unbekümmert.«
    »Sie?«
    »Mario hatte noch eine Schwester«, erklärte Olivier. »Sie war ein bisschen jünger als er. Zwei oder drei Jahre, glaube ich.« Seine Augen fixierten einen Punkt hoch über seinem Kopf, während er nachdachte. »Ach, keine Ahnung«, sagte er nach einer Weile, offenbar ärgerlich, dass ihn seine Erinnerung derart im Stich ließ. »Aber sie spielte sowieso keine Rolle.«
    Na, das ist ja auch mal eine nette Aussage!, dachte Winnie. Sie blickte auf den blitzsauberen Boden hinunter und sah mit einem Mal wieder das fast unwirklich schöne Gesicht Mario Beltings vor sich, das sie nur von Werneuchens Foto kannte. Natürlich gab es in nahezu jeder Familie ein Lieblingskind. Und auch Geschwister, von denen niemand so recht Notiz nahm. Wenn man es genau nahm, war es bei ihr selbst nicht viel anders gewesen. Ihre Schwester hatten die Eltern in Watte gepackt, weil sie so wundervoll Klavier gespielt und Wettbewerbe gewonnen hatte, während sie von klein auf ihre Freiheit gehabt hatte. Ein Umstand, der ihr durchaus nicht zu allen Zeiten ihres Lebens so erstrebenswert vorgekommen war, wie es sich vielleicht anhörte.
    Sie spielte sowieso keine Rolle …
    »Wissen Sie, ich habe das angesichts des ganzen Trubels, der bei ihm zu Hause herrschte, nie so ganz nachvollziehen

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