Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
Samtpantoffeln.
Unterschätz sie nicht, mahnte eine Stimme in ihr.
Sie spielte nie eine Rolle, widersprach Kaspar Olivier.
»Schließen Sie die Tür.«
Gebannt verfolgte Winnie, wie eine nicht mehr junge, aber äußerst gepflegte Hand um die Spindtür herum kam und sie langsam zuschob. Dann sah sie geradewegs in die kühlen grauen Augen von Regina Göbel.
»Sind das Frau Hartwigs Brosche und die Reste des Medikaments, mit dem Sie Söhnlein getötet haben?«, fragte Winnie.
»Ich wusste gleich, dass man Sie nicht unterschätzen darf«, entgegnete die alte Dame anstelle einer Antwort. Und der Blick, mit dem sie Winnie bedachte, hätte mühelos Stahl zerschneiden können.
»Sie können jetzt reinkommen«, raunte Winnie in ihr Mikro. »Ich habe sie.«
»Sie haben gar nichts«, entgegnete Regina Göbel lapidar.
»Abwarten«, sagte Winnie.
Eine Bemerkung, die ihr nichts als ein spöttisches Lächeln eintrug.
Dir wird das Lachen schon noch vergehen, dachte Winnie grimmig. Verlass dich drauf!
Laut sagte sie: »Regina … Das ist Lateinisch und bedeutet die Königin, nicht wahr?«
Die alte Dame antwortete nicht.
»Tja«, stichelte Winnie, »manche können eben einfach nicht aus ihrer Haut, was?«
»Was wissen denn Sie?«, gab Cordula Belting in schneidendem Ton zurück.
»Genug, um Sie festzunageln.«
»Das träumen Sie.«
»Nein«, widersprach Winnie fest. »Sie sind diejenige, die träumt. Aber Ihre großen Zeiten sind vorbei. Die, die Ihnen früher vielleicht aus der Klemme geholfen hätten, sind tot. Und wer hört denn schon auf einen pensionierten BKA -Mann?«
»Halten Sie den Mund!«
»Sie haben hier gar nichts zu befehlen«, gab Winnie zurück, »und ich an Ihrer Stelle würde versuchen, mich so schnell wie möglich an diesen Zustand zu gewöhnen, sonst haben Sie’s nur unnötig schwer im Knast.«
Regina Göbel lachte laut auf. »Ich rate Ihnen gut, legen Sie sich nicht mit mir an.«
»Sie verkennen da was.« Winnie versuchte, so gelassen wie möglich zu klingen, auch wenn ihr die Drohung durchaus nicht einerlei war.
»Was?«
»Der Begriff Schach kommt, das habe ich nachgelesen, vom persischen Wort
Schah,
und das bedeutet König. Matt hingegen kommt von
mandan,
was man im Deutschen mit
verlassen sein
übersetzen könnte. Und genau das beschreibt Ihren Zustand: Ihre Mitspieler sind aus dem Rennen. Und ich wette, dass bei den Jungen, Ihren Helfershelfern, nicht ein Einziger dabei ist, der sich zwischen Sie und den Gegner wirft, wenn’s hart auf hart kommt.«
Die grauen Augen verhärteten sich noch mehr.
»Sie sind so gut wie tot.«
»Nein«, sagte Winnie. »Auch darin irren Sie. Mein Leben fängt gerade erst an.« Sie machte einen Schritt auf die alte Dame zu und trat hinter sie. »Cordula Belting«, sagte sie fest. »Ich verhafte Sie wegen Mordes an Kurt Söhnlein, Ilse Brilon, Rebecca Nolde und Florant Hugennay.« Zufrieden beobachtete sie, wie sich bei den letzten beiden Namen die Muskelstränge in Cordula Beltings Nacken in Drahtseile verwandelten, während sie der alten Dame routiniert die Handschellen anlegte, die sie ebenso wie ihre Dienstwaffe unter ihrer Pflegerkluft verborgen hatte. »Des Weiteren verhafte ich Sie wegen Anstiftung zum Mord an Alexander Brieden, Joachim Ackermann und Bernd Zieser. Und wegen Mordversuchs an dessen Mutter, Dorothea Zieser.« Sie legte Cordula Belting eine Hand auf die knochige Schulter und drehte sie zu sich um. »Das Spiel ist aus«, sagte sie mit einem Lächeln. »Und dieses Mal haben Sie es verloren.«
17
Kaum einer der Bewohner bekam mit, wie Regina Göbel alias Cordula Belting in Handschellen zu einem der wartenden Polizeiwagen geführt wurde. Die Spurensicherung hatte ihre Arbeit in Söhnleins Zimmer bereits aufgenommen, nachdem eine erstaunlich erholt aussehende Dr. Gutzkow den Leichnam des Expolitikers freigegeben hatte. Winnie selbst übernahm es, Elisabeth Fersten Bericht zu erstatten, während ihre Kollegen Jörg Thalau, Nicole Freytag und die herbeigeeilte Irén Theunes ins Bild setzten.
»Wo ist Verhoeven?«, fragte sie, als sie irgendwann gegen Mitternacht in die zum Basislager umfunktionierte Cafeteria zurückkehrte.
Werneuchen sah sich um. »Keine Ahnung. Eben war er noch hier.«
Winnies Blick fiel auf die geöffnete Glastür, die auf die Terrasse hinausführte. »Vielleicht schnappt er ein bisschen frische Luft.«
»Bei dem Wetter?«, fragte Werneuchen zweifelnd.
Sie zuckte die Achseln und trat auf die Terrasse hinaus. Zuerst
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