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Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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schon.«
    »Warte!«
    »Was ist?«
    Sie weiß es jetzt wieder! Weiß, dass sie nicht wegen der Eier gekommen ist. Und auch nicht wegen der beiden Leute im Fernsehen.
    »Wo willst du hin?«
    »Ich muss ihnen noch was sagen.«
    »Wem?«
    Tja, wem???
    Ihre Hände wischen über das Geländer. Du musst überlegen, hämmert es hinter ihrer Stirn. Denk nach! Dann fällt es dir bestimmt wieder ein.
    Plötzlich etwas wie Panik. »Schwester!«
    Eine Hand, die sich um ihren Arm legt. Eher nachdrücklich als fest. Dazu ein verschwörerisches Flüstern: »Hast du den Verstand verloren? Hör gefälligst auf, hier rumzubrüllen. Du weckst ja noch alle auf.«
    Sie schlägt sich die Hand vor den Mund. Stimmt, deswegen hat es schon einmal Ärger gegeben, das weiß sie noch. Und sie weiß auch, dass sie es sich nicht leisten kann, noch einmal negativ aufzufallen. Sie hasst es, wenn man mit ihr schimpft. Ganz abgesehen davon, dass es mehr als genug Leute gibt, die sie liebend gern los wären. Die finden, sie passe nicht hierher. Die …
    Sie stutzt. »Was ist das?«
    »Nun sieh dir das an, sie haben tatsächlich die Straße gesperrt.«
    »Was?«
    »Das ist bestimmt wegen der Russen. Aber das macht nichts. Ich weiß einen Weg, wie wir trotzdem nach Hause kommen.«
    »Wirklich?«
    »Ja, ganz sicher. Na los, komm!«
    Doch irgendetwas in ihr sträubt sich noch. »Manni?«
    Und tatsächlich: Da ist er. Er nickt ihr zu. Von weitem. Zwanzigjährig. Vertraut.
    »Bist du’s wirklich?«
    »Natürlich bin ich’s. Und jetzt komm endlich. Sonst ist es hell, bis wir dort sind.«
    Sie merkt, wie sie leise zu zittern beginnt. Obwohl es gar nicht kalt ist. Seltsam, denkt sie, irgendwie unlogisch …
    »Wir müssen hier drübersteigen. Siehst du?«
    »Aber …«
    »Keine Angst, es ist nicht hoch.«
    Stimmt. Hoch ist es nicht. Aber …
    Sie schüttelt den Kopf, während ihr Verstand mit blinden Fingern nach Erinnerungen schnappt.
    »Nein!«, bricht es aus ihr heraus, als sie eine davon für einen flüchtigen Augenblick zu fassen bekommt. »Und überhaupt: Was machen Sie hier? Wo ist mein Mann?«
    »Der?« Lachen. »Der ist Würstchen holen.«
    »Würstchen?«
    »Für die Erbsensuppe.«
    Suppe? Auch das klingt richtig. Trotzdem ist ihr noch immer, als wäre irgendetwas falsch. Sie spürt kaltes Holz an ihren bloßen Schenkeln. Aber zu Pyjamas kann sie sich einfach nicht überwinden. Pyjamas sind was für Männer, findet sie. Also Nachthemden. Knielang. Und immer Baumwolle.
    »Gut so! Du hast es gleich geschafft.«
    »Aber …«
    »Es ist gleich da hinten.«
    »Wer sind Sie?«
    Keine Antwort. Nicht dieses Mal. Dafür ein Stoß. Ganz sacht nur. Aber mehr ist auch nicht nötig.
    Ihre Füße schweben irgendwo im Nichts. Im Rücken gähnt Bodenlosigkeit. Ein Rechteck von Leere, in der der Geruch nach Desinfektionsmitteln und kaltem Essen schwebt.
    Panisch krallt sie die Finger in das Holz des Geländers. Es ist alt wie sie selbst. Aber es ist frisch lackiert und glatt. Als sie spürt, dass sie sich nicht länger halten kann, erstarrt sie und blickt wieder nach oben, wo ihr geliebter Manni hinter einem der Pfeiler hervortritt. Er trägt die Uniform, in der er sich so wohlfühlt, und sieht besorgt aus.
    Aber warum …?
    Über ihr ein Paar Hände, glatt wie das Geländer, an dem sie sich noch immer festhält. Und ein Befehl, ruhig und souverän: »Lass los!«
    »Nein!«
    Die Augen gefrieren zu Eis. »Oh doch. Du wirst loslassen.«
    »Ich …«
    Sie fühlt, wie alle Kraft in ihren Körper hinuntersackt, der plötzlich eine Tonne wiegt. Mindestens. Ihre Füße schwellen an bis zum Bersten.
    Sie werden platzen, denkt sie noch.
    Dann geben ihre altersmüden Finger knirschend nach, und ihr Körper stürzt vier Stockwerke tief, wo er ungebremst auf das hundertjährige Eichenparkett kracht.
    Die Schritte, die sich hoch über ihrem zerborstenen Schädel eilig entfernen, verhallen unbemerkt in der Stille der Nacht.

Zwei

August 1953
    »Das sind Peter, Rolf, Vivian. Und meine Schwester kennst du ja.«
    »Hallo.« Sie nickt den Angesprochenen zu, ohne sie richtig wahrzunehmen. Seine Schwester ist ihr so was von egal. Genauso wie seine sogenannten Freunde.
    »Möchtest du was trinken?«
    »Gern.«
    »Limonade?«
    »Ja. Limonade wäre toll.«
    Er lächelt ihr zu und schiebt ab, Richtung Buffet.
    Sie blickt ihm nach, wie er über die akribisch gepflegte Rasenfläche davongeht. Bemerkt das Spiel der Muskeln unter dem weißen Kurzarmhemd. Seinen braungebrannten Nacken. Letzte

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