Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
Vom Netzwerk:
mittlerweile sogar eine Art Checkliste, die es Angestellten von Krankenhäusern, Seniorenheimen und ähnlichen Einrichtungen erleichtern soll, gewisse Anzeichen richtig zu deuten und die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten«, fuhr Amanda Kerr indessen fort.
    »Und was sind das für Anzeichen?«, fragte Winnie, obwohl sie sich vorgenommen hatte, nicht auf sich aufmerksam zu machen.
    »Das auffälligste Zeichen ist natürlich eine erhöhte Mortalitätsrate während der Dienstzeiten der betreffenden Person«, antwortete die Psychologin achselzuckend. »Häufig passt die Todesursache der Opfer auch nicht oder nur bedingt zu deren Krankengeschichte. Auf der betreffenden Station gibt es unerklärliche Verluste einschlägiger Medikamente, Insulin etwa oder Epinephrin. Oder eine außergewöhnlich hohe Zahl von Beschwerden seitens der Patienten, die sich gegen eine bestimmte Pflegekraft richten.«
    »Na ja, zumindest was das anging, hatte Ackermann wohl eine reine Weste«, stellte Hinnrichs beinahe widerwillig fest.
    »Im Augenblick sprechen wir lediglich über Typisierungen«, bemerkte Amanda Kerr mit hochgezogener Braue. »Es bedeutet nicht zwingend, dass jemand unschuldig ist, nur weil eine Reihe wiederkehrender Parameter auf ihn – oder sie – nicht zutrifft. Ich versuche im Augenblick lediglich, Ihnen einen Eindruck vom Stand der Forschung auf diesem Gebiet zu vermitteln.«
    Hinnrichs hob abwehrend die Hände. »Es lag nicht in meiner Absicht, voreilige Schlüsse zu ziehen«, sagte er, und Winnie überlegte, ob er ironisch meinte, was er da sagte. Oder ob es ihm ernst war.
    Als sie bemerkte, dass Amanda Kerr sie mit amüsiertem Lächeln beobachtete, wandte sie eilig den Blick ab.
    »Neben den genannten Parametern finden Sie oft eine Reihe von mehr oder weniger typischen Wendungen in der Biographie der Täterinnen und Täter«, fuhr die Psychologin fort. »Den Hang zum Lügen, zum Beispiel, oder häufige Wechsel des beruflichen Umfeldes und/oder des Wohnortes.«
    Hinnrichs blickte fragend zu Werneuchen hinüber, doch der schüttelte nur den Kopf. Joachim Ackermann hatte von seinem Auszug aus dem Elternhaus bis zu seiner Verhaftung in ein und derselben Wohnung gelebt. Dieselbe Zweizimmerwohnung, die seine Schwester nach seiner Festnahme aufgelöst hatte.
    Was mag er wohl dabei empfunden haben?, überlegte Winnie. Was würde ich empfinden, wenn irgendjemand, mit dem ich zwar verwandt bin, der mir aber doch mehr oder weniger fremd ist, einfach hingeht und meine Wohnung auflöst?
    »Von seiner Persönlichkeit her ist der typische Todesengel in aller Regel eher verschlossen, oder aber er steckt zum Zeitpunkt der Tat in einer signifikanten persönlichen Krise«, setzte Amanda Kerr auf der anderen Seite des Tisches ihre Ausführungen fort. »Oft findet man auch verschiedenste Formen mentaler Instabilitäten oder Depressionen in der Vorgeschichte solcher Täter, einschließlich der entsprechenden krankheitsbedingten Fehlzeiten. Und nicht selten zeigen die betreffenden Personen ein auffälliges Interesse am Tod oder an medizinischen Problemen generell.«
    Hinnrichs warf seinen Kugelschreiber auf die Tischplatte. »Und wie viel davon trifft nun auf Ackermann zu?«
    »So gut wie gar nichts«, lautete die prompte Antwort der Psychologin. »Das ist einer der Gründe, warum der Prozess von beinahe allen Beteiligten als so unbefriedigend empfunden wurde.«
    Verhoeven griff nach der Kaffeekanne, die in der Mitte des Tisches stand. »Sie meinen, weil man Ackermann nicht einfach als blindwütig mordenden Psychopathen abtun konnte?«
    »Es gab keine letztgültigen Beweise.« Dr. Kerr legte dankend die Hand über ihre Tasse. »Es gab keine signifikanten Auffälligkeiten in der Biographie des Angeklagten. Oder anders ausgedrückt, Ackermann passte nicht ins Klischee eines typischen Todesengels.« Sie hob die Augen, die eine sehr außergewöhnliche Farbe hatten. Hellgrün mit deutlichen Spuren von Gelb rund um die Pupille. »Allerdings müssen Klischees, wie gesagt, auch nicht zwingend immer zutreffen.«
    »Ist es eigentlich typisch oder untypisch, dass die Opfer allesamt Männer waren?«, wiederholte Winnie Heller eine Frage, mit der sie sich bereits zuvor beschäftigt hatten.
    Amanda Kerrs gelbgrüne Augen wandten sich ihr zu. »Normalerweise spielt das Geschlecht der Opfer bei Todesengel-Morden eine eher untergeordnete Rolle. Da die Taten in aller Regel nicht offen sexuell motiviert sind, ist es für die Täter meist nur im Hinblick auf

Weitere Kostenlose Bücher