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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Mit ihm die aufgesetzte Höflichkeit.
    »Warten Sie hier.« Der Mann entfernte sich, und Pia blickte sich unauffällig um. Tatsächlich! An einem der Tische saß Cosima von Bodenstein in trauter Zweisamkeit mit einem Mann, der deutlich zehn Jahre jünger war als sie. Er trug einen zerknitterten Straßenanzug, ein am Hals offen stehendes Hemd ohne Krawatte. Seine lässige Körperhaltung strahlte Selbstbewusstsein aus. Das wirre, dunkelblonde Haar reichte bis auf seine Schultern, sein kantiges Gesicht mit dem aggressiv vorspringenden Kinn, dem Fünftagebart und der markanten Adlernase war von Wind und Wetter – oder auch vom Alkohol, wie Pia boshaft dachte – gegerbt. Cosima von Bodenstein redete lebhaft auf ihn ein, und er betrachtete sie lächelnd und mit offensichtlicher Faszination. Das war kein Arbeitsessen, auch kein zufälliges Treffen alter Bekannter – die erotischen Schwingungen zwischen den beiden konnten selbst einem oberflächlichen Betrachter nicht verborgen bleiben. Entweder kamen sie gerade aus dem Bett oder zögerten den Weg dorthin mit einem kleinen Lunch hinaus, um die Vorfreude noch zu steigern. Pia bedauerte ihren Chef ehrlich, dennoch brachte sie auch ein gewisses Verständnis für Cosima auf, die sich nach fünfundzwanzig Jahren ehelicher Routine nach einem Abenteuer sehnen mochte.
    Das Erscheinen des Geschäftsführers riss Pia aus ihren Beobachtungen. Er war höchstens Mitte dreißig, wirkte durch sein schütteres, sandfarbenes Haar und das aufgedunsene Gesicht aber älter.
    »Ich will Sie nicht lange aufhalten, Herr …«, begann Pia und musterte den massigen Mann, der so unhöflich war, ihr weder die Hand zu reichen noch sich ihr namentlich vorzustellen.
    »Jagielski«, ergänzte der Mann von oben herab und scheuchte seinen Empfangschef mit einer arroganten Handbewegung zurück auf seinen Hochsitz. »Was gibt es? Wir sind mitten im Mittagsgeschäft.«
    Jagielski. Der Name weckte in Pia irgendeine vage Assoziation.
    »Ach. Kochen Sie denn selbst?«, konterte sie ironisch. »Nein.« Er verzog säuerlich die Lippen, sein irritierend unsteter Blick glitt immer wieder durch den Gastraum. Plötzlich wandte er sich um, hielt eine junge Kellnerin an und brachte sie mit einer gezischten Bemerkung zum Erröten.
    »Geschultes Personal ist so gut wie nicht zu bekommen«, erklärte er Pia dann ohne den Anflug eines Lächelns. »Diese jungen Dinger sind eine Katastrophe. Haben einfach keine Einstellung.«
    Neue Gäste trafen ein, sie standen im Weg. In dem Augenblick fiel ihr wieder ein, wo sie den Namen Jagielski schon gehört hatte. Die Chefin im Schwarzen Ross in Altenhain hieß ebenfalls so. Ihre Nachfrage bestätigte, dass die Namensgleichheit nicht zufällig war. Andreas Jagielski gehörte das Schwarze Ross ebenso wie der Ebony Club und ein anderes Lokal in Frankfurt.
    »Also, was gibt's?«, fragte er. Höflichkeit war nicht seine Stärke. Diskretion ebenso wenig. Noch immer standen sie mitten im Foyer.
    »Ich wüsste gerne, ob ein Herr Claudius Terlinden am vergangenen Samstagabend mit seiner Frau hier zum Essen war.«
    Eine Augenbraue zuckte hoch. »Wieso will die Polizei das wissen?«
    »Weil es die Polizei interessiert.« Allmählich ging Pia seine herablassende Überheblichkeit auf die Nerven. »Also?«
    Ein winziges Zögern, dann ein knappes Nicken. »Ja, das war er.«
    »Nur mit seiner Frau?«
    »Das weiß ich nicht mehr genau.«
    »Vielleicht kann sich Ihr Empfangschef daran erinnern. Sie führen doch sicher Buch über die Reservierungen.«
    Widerstrebend winkte Jagielski dem zuvor verscheuchten Empfangschef und wies ihn an, ihm das Reservierungsbuch auszuhändigen. Abwartend hielt er die Hand ausgestreckt und wartete stumm, bis der Empfangschef auf seinen Hochsitz geklettert war und wieder heranwieselte. Der Geschäftsführer leckte seinen Zeigefinger an und blätterte langsam in der ledergebundenen Kladde.
    »Ah ja, hier«, sagte er schließlich. »Sie waren zu viert. Ich erinnere mich jetzt auch wieder.«
    »Wer war dabei? Namen?«, drängte Pia. Eine Gruppe von Gästen rüstete zum Aufbruch. Endlich führte Jagielski Pia Richtung Tresen.
    »Ich wüsste nicht, was Sie das angeht.« Er dämpfte die Stimme.
    »Hören Sie.« Pia wurde ungeduldig. »Ich ermittele im Fall Ihrer verschwundenen Kellnerin Amelie, die zuletzt am Samstag im Schwarzen Ross gesehen wurde. Wir suchen Zeugen, die das Mädchen danach noch gesehen haben.«
    Jagielski starrte sie an, überlegte einen Moment und

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