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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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sollte Leiter des K 11 werden, aber dann sind Sie aus Frankfurt dahergekommen, arrogant und überheblich, und haben erst mal alles umgekrempelt, als wäre alles mies gewesen, was wir dämlichen Dorfpolizisten vorher gemacht haben. Wir sind Ihnen doch alle völlig egal, jeder von uns! Dumme Bullen, denen sich der gnädige Herr
von
Bodenstein meilenweit überlegen fühlt!«, ätzte Hasse. »Sie werden schon noch sehen, was Sie davon haben. An Ihrem Stuhl wird gerade ordentlich gesägt.«
    Bodenstein blickte Hasse an, als habe er ihm ins Gesicht gespuckt. Pia fand als Erste die Sprache wieder.
    »Sag mal, spinnst du?«, fuhr sie den Kollegen an. Der lachte gallig.
    »Du solltest auch aufpassen. Im Kommissariat weiß doch längst jeder, dass ihr heimlich was miteinander habt! Das ist mindestens genauso ein Verstoß gegen die Vorschriften wie Franks Nebenjob, von dem der gnädige Herr auch nie etwas mitbekommen hat!«
    »Halt die Klappe!«, sagte Pia scharf. Hasse grinste anzüglich.
    »Ich hab's von Anfang an gewusst, dass da was läuft. Die anderen haben es erst kapiert, seitdem ihr euch duzt.«
    Bodenstein wandte sich grußlos ab und verließ das Haus. Pia sagte Hasse noch ein paar ziemlich unfreundliche Dinge, dann folgte sie ihrem Chef. Er saß nicht im Auto. Sie ging die Straße entlang und fand ihn oben am Waldrand auf einer Bank sitzend, das Gesicht in den Händen vergraben. Pia zögerte kurz, aber dann ging sie zu ihm und setzte sich stumm neben ihn auf die Bank, deren Holz von der Feuchtigkeit des Nebels glänzte.
    »Hör doch nicht auf das blöde Geschwätz von diesem verbitterten, frustrierten Idioten«, sagte sie. Bodenstein antwortete nicht, blieb einfach so sitzen.
    »Mache ich überhaupt noch irgendetwas richtig?«, murmelte er nach einer Weile dumpf. »Hasse intrigiert mit dem Kultusminister und klaut Protokolle aus Akten, Behnke arbeitet jahrelang heimlich in einer Kneipe, ohne dass ich es weiß, meine Frau betrügt mich seit Monaten mit einem anderen Kerl …«
    Er hob den Kopf, und Pia musste schlucken, als sie den Ausdruck abgrundtiefer Verzweiflung auf seinem Gesicht sah.
    »Warum kriege ich das alles nicht mit? Bin ich wirklich so überheblich? Und wie soll ich überhaupt noch meinen Job machen, wenn ich mein eigenes Leben nicht mehr auf die Reihe kriege?«
    Pia betrachtete die scharfen Konturen seines Profils und verspürte echtes Mitleid. Das, was Hasse oder auch andere als Arroganz und Überheblichkeit empfinden mochten, war eben Bodensteins Art. Er mischte sich nicht ein, spielte seine Autorität nie aus. Und auch wenn er mehr als neugierig war, würde er seinen Mitarbeitern nie indiskrete Fragen stellen. Das war keine Gleichgültigkeit, sondern Zurückhaltung.
    »Ich hab doch von Behnkes Job auch nichts gewusst«, sagte Pia leise. »Und dass Hasse die Protokolle geklaut hat, hat mich genauso umgehauen.« Sie grinste. »Sogar von unserem heimlichen Verhältnis habe ich bis eben nichts geahnt.«
    Bodenstein gab einen unartikulierten Laut von sich, zwischen Lachen und Seufzen. Dann schüttelte er mutlos den Kopf.
    »Ich hab das Gefühl, mein ganzes Leben fällt in sich zusammen.« Er starrte vor sich hin. »Ich kann an nichts mehr anderes denken als daran, dass Cosima mich mit einem anderen Kerl betrügt. Weshalb? Was hat ihr gefehlt? Habe ich etwas falsch gemacht?«
    Er beugte sich nach vorne und verschränkte seine Hände hinter dem Kopf. Pia biss sich auf die Lippen. Was sollte sie ihm sagen? Gab es für ihn in dieser Situation überhaupt irgendeinen Trost? Nach kurzem Zögern legte sie ihre Hand auf seinen Arm und drückte ihn sanft.
    »Vielleicht hast du irgendetwas falsch gemacht«, sagte sie. »Aber wenn es Probleme in einer Beziehung gibt, ist nie nur einer schuld. Statt Erklärungen zu suchen, solltest du lieber darüber nachdenken, wie es weitergehen kann.«
    Bodenstein rieb sich den Nacken und richtete sich auf.
    »Ich musste im Kalender nachgucken, um mich zu erinnern, wann ich das letzte Mal mit ihr geschlafen habe«, sagte er mit plötzlicher Verbitterung. »Aber es ist auch gar nicht so einfach mit einem kleinen Kind, das alle naslang angelaufen kommt.«
    Pia wurde unbehaglich zumute. Auch wenn ihr Verhältnis im letzten Jahr viel vertrauter geworden war als früher, so empfand sie es nach wie vor als peinlich, mit ihrem Chef über so intime Dinge zu sprechen. Sie holte ihr Zigarettenpäckchen aus der Jackentasche und hielt es ihm hin. Er nahm sich eine Zigarette, zündete sie an

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