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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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und rauchte ein paar Züge, bevor er weiterredete.
    »Wie lange geht das schon? Wie viele Nächte habe ich ahnungsloser Trottel neben ihr gelegen, während sie an einen anderen Kerl gedacht hat? Dieser Gedanke macht mich ganz krank!«
    Ah, aus der Verzweiflung wurde allmählich Zorn. Das war gut! Pia zündete sich ebenfalls eine Zigarette an.
    »Frag sie einfach«, riet sie ihm. »Frag sie am besten sofort. Dann musst du dich nicht länger verrückt machen.«
    »Und dann? Wenn sie mir die Wahrheit sagt? Ach, Scheiße! Am liebsten würde ich sie auch …« Er brach ab, trat die Zigarette mit dem Absatz aus.
    »Dann tu es doch. Vielleicht geht's dir dann besser.«
    »Was gibst du mir denn für Ratschläge?« Bodenstein warf Pia einen überraschten Blick zu, die Andeutung eines Lächelns zuckte um seine Mundwinkel.
    »Sonst scheint dir ja keiner welche zu geben«, erwiderte sie. »Ich hatte in der Schule mal einen Freund, der mit mir Schluss gemacht hat. Am liebsten hätte ich mich umgebracht, so unglücklich war ich. Meine Freundin Miriam hat mich gezwungen, mit ihr auf eine Party zu gehen, und da lief mir irgendein Typ über den Weg. Der hat mir nur Komplimente gemacht. Na ja. Danach ging's mir besser. Auch andere Mütter haben schöne Söhne. Oder Töchter.«
    Bodensteins Handy klingelte. Zuerst beachtete er es nicht, schließlich nahm er es mit einem Seufzer aus der Tasche und meldete sich.
    »Das war Fachinger«, sagte er hinterher zu Pia. »Hartmut Sartorius hat angerufen. Tobias ist nach Hause gekommen.« Er erhob sich von der Bank.
    »Hoffentlich erwischen wir ihn noch. Sartorius hat schon vor zwei Stunden angerufen, aber der KvD hat es Fachinger eben erst gesagt.«
    Das Hoftor von Sartorius stand weit offen. Sie überquerten den Hof und klingelten an der Haustür, aber nichts tat sich.
    »Die Tür ist nur angelehnt«, stellte Pia fest und drückte sie auf.
    »Hallo?«, rief sie ins Haus hinein. »Herr Sartorius?«
    Keine Antwort. Sie ging ein paar Schritte in den Flur und rief noch einmal.
    »Er hat sich wohl schon wieder aus dem Staub gemacht.« Enttäuscht wandte sie sich um und ging zu Bodenstein zurück, der vor der Haustür wartete. »Und sein Vater ist auch nicht da. So ein Mist.«
    »Lass uns hinten auf dem Hof nachsehen.« Bodenstein zückte sein Handy. »Ich rufe Verstärkung.«
    Pia ging um das Haus herum. Tobias Sartorius war am Tag der Beerdigung von Laura Wagner wieder nach Altenhain gekommen. Er war natürlich nicht auf dem Friedhof gewesen, aber während der Begräbniszeremonie war das Atelier von Thies Terlinden in Flammen aufgegangen – mit Hilfe eines Brandbeschleunigers, wie Feuerwehr und Kollegen vom Dezernat für Brandsachen festgestellt hatten. Was lag näher als der Verdacht, dass Tobias die Orangerie in Brand gesteckt hatte und danach wieder abgetaucht war?
    »… ohne Sirene, verstanden?«, hörte Pia Bodenstein sagen. Sie wartete, bis er bei ihr war.
    »Tobias hat gewusst, dass das ganze Dorf auf dem Friedhof sein würde und er unbeobachtet das Feuer legen konnte«, äußerte sie ihre Vermutung. »Ich verstehe nur nicht, warum sein Vater bei uns angerufen hat.«
    »Verstehe ich auch nicht«, gab Bodenstein zu. Er blickte sich auf dem Hof um. Bei früheren Besuchen waren Tor und sämtliche Türen immer sorgfältig verschlossen gewesen, verständlich nach all den Drohungen und dem Überfall auf Tobias. Wieso stand jetzt alles sperrangelweit offen? Gerade als sie um die Hausecke bogen, nahmen sie weiter oben im Hof eine Bewegung wahr. Zwei Männer verschwanden durch das obere Tor, wenig später knallten Autotüren, ein Motor heulte auf. Plötzlich hatte Pia ein ungutes Gefühl.
    »Das waren nicht Tobias und sein Vater.« Sie griff in ihre Jacke und zog ihre Dienstwaffe hervor. »Irgendetwas stimmt hier nicht.«
    Vorsichtig öffneten sie die Tür zur Milchküche, spähten hinein. Dann gingen sie hinüber zum alten Kuhstall. Am offenen Tor verständigten sie sich stumm, Pia hob die Waffe und betrat den Stall. Sie blickte sich um und erstarrte. Auf einem Hocker in einer Ecke saß Tobias Sartorius. Er hatte die Augen geschlossen, den Kopf gegen die Wand gelehnt.
    »Scheiße«, murmelte Pia. »Ich glaube, wir kommen zu spät.«
    Acht Schritte von der Tür bis zur Wand. Vier Schritte von der gegenüberliegenden Wand bis zu dem Regal. Ihre Augen hatten sich längst an die Dunkelheit gewöhnt, ihre Nase an den fauligen, modrigen Geruch. Tagsüber fiel ein wenig Licht durch eine winzige Ritze

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