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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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mit Psychopharmaka behandelt, die er überhaupt nicht gebraucht hätte. Als sie befürchten musste, dass Amelie Fröhlich und Ihr Sohn ihrem Mann und ihr selbst gefährlich werden könnten, musste sie handeln. Wir befürchten, dass sie den beiden etwas angetan hat.«
    Terlinden starrte ihn an. Seine Miene war wie versteinert.
    »Wer, dachten Sie eigentlich, hat Stefanie ermordet?«, wollte Pia wissen. Claudius Terlinden nahm seine Brille ab und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Er holte tief Luft.
    »Ich dachte tatsächlich, dass es Tobias gewesen ist«, gab er nach einer Weile zu. »Ich habe angenommen, er hat Gregor mit dem Mädchen beobachtet und ist dann vor Eifersucht durchgedreht. Mir war klar, dass mein Sohn Thies etwas beobachtet haben musste, aber da er nicht spricht, habe ich nie erfahren, was er gesehen hat. Jetzt erklärt sich natürlich einiges für mich. Deshalb war Daniela immer so besorgt um ihn. Und deshalb hatte Thies so eine schreckliche Angst vor ihr.«
    »Sie hat ihm gedroht, ihn in eine Anstalt zu bringen, sollte er jemals ein Sterbenswörtchen sagen«, erläuterte Pia. »Aber selbst sie wusste wohl nicht, dass Thies die Leiche von Stefanie im Keller der Orangerie versteckt hielt. Das muss sie von Amelie erfahren haben. Deshalb hat Frau Dr. Lauterbach auch das Feuer in der Orangerie gelegt. Sie wollte nicht die Bilder vernichten, sondern die Mumie von Schneewittchen.«
    »Großer Gott!« Terlinden erhob sich von seinem Stuhl, trat an die Fensterfront und starrte hinaus. Ahnte er, wie dünn das Eis war, auf dem er sich bewegte? Bodenstein und Pia wechselten hinter seinem Rücken einen Blick. Man würde ihn wegen zahlloser Vergehen zur Verantwortung ziehen, nicht zuletzt für die großangelegte Bestechungsaffäre, die Gregor Lauterbach in dem feigen Versuch, sich selbst reinzuwaschen, aufgedeckt hatte. Davon wusste Claudius Terlinden noch nichts, aber sicher wurde ihm allmählich klar, welch gigantische Schuld er mit seiner Politik des Verschweigens und Vertuschens auf sich geladen hatte.
    »Lutz Richter hat gestern versucht, sich das Leben zu nehmen, als unsere Kollegen seinen Sohn verhaftet haben«, sagte Bodenstein in die Stille. »Er hat vor elf Jahren eine Art Bürgerwehr gegründet, um die wahren Ereignisse zu vertuschen. Laura Wagner lebte noch, als Richters Sohn und seine Freunde sie in den leeren Bodentank auf dem Flugplatzgelände in Eschborn geworfen haben. Richter hat das gewusst und den Tank zugeschüttet.«
    »Und als Tobias aus dem Gefängnis gekommen ist, hat Richter die Sache wieder in die Hand genommen und den Überfall auf ihn organisiert«, ergänzte Pia. »Haben Sie das veranlasst?«
    Terlinden wandte sich um.
    »Nein. Ich hatte es ihnen sogar ausdrücklich verboten«, antwortete er mit heiserer Stimme.
    »Manfred Wagner hat Tobias' Mutter von der Brücke gestoßen«, setzte Pia nach. »Hätten Sie damals Ihren Sohn Lars nicht gezwungen, die Wahrheit zu verschweigen, dann wäre all das nicht geschehen. Ihr Sohn würde womöglich noch leben, Familie Sartorius wäre nicht ruiniert, Wagners hätten irgendwann mit der ganzen Sache abschließen können. Ist Ihnen klar, dass Sie ganz alleine die Schuld an dem Leid tragen, das diese Familien durchmachen mussten? Mal ganz abgesehen von Ihrer eigenen Familie, die durch Ihre Feigheit durch die Hölle gegangen ist!«
    »Wieso ich?« Terlinden schüttelte verblüfft den Kopf. »Ich habe mich doch nur um Schadensbegrenzung bemüht!«
    Pia konnte es nicht fassen. Ganz offensichtlich hatte Claudius Terlinden Rechtfertigungen für sein Tun und sein Unterlassen gefunden und log sich seit Jahren selbst in die Tasche.
    »Welchen schlimmeren Schaden wollten Sie denn begrenzen?«, fragte sie sarkastisch.
    »Die Dorfgemeinschaft drohte zu zerbrechen«, antwortete Terlinden. »Meine Familie trägt schon seit Jahrzehnten, wenn nicht seit Jahrhunderten eine große Verantwortung in diesem Dorf. Dieser musste ich gerecht werden! Die Jungen hatten eine Dummheit gemacht, sie waren betrunken, und das Mädchen hatte sie provoziert.«
    Er hatte mit unsicherer Stimme begonnen, doch nun sprach er im Brustton der Überzeugung.
    »Ich dachte, Tobias hätte Stefanie getötet. Er würde also auf jeden Fall ins Gefängnis gehen. Welche Rolle würde es spielen, ob er für ein oder für zwei Verbrechen verurteilt werden würde? Dafür, dass er seine vier Freunde aus der ganzen Sache herausgehalten hatte, habe ich seine Familie unterstützt und immer dafür

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