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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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verzog das Gesicht. Der Cognac entfachte ein kleines, wohltuendes Feuer in seinem Magen, strömte durch seine Adern und entspannte ihn. Sein Blick wanderte zu dem gerahmten Foto von Cosima neben dem Telefon. Sie lächelte ihn an, wie seit Jahren. Er nahm es ihr übel, dass sie ihm heute Morgen aufgelauert und ihn provoziert hatte, Ungeheuerliches zu sagen und zu tun. Längst bereute er, derart die Kontrolle über sich verloren zu haben. Obwohl sie es war, die alles zerstört hatte, fühlte er sich im Unrecht. Und das ärgerte ihn mindestens genauso sehr wie sein überheblicher Glaube, eine perfekte Ehe zu führen. Cosima betrog ihn mit einem Jüngeren, weil er ihr als Mann nicht mehr genügt hatte. Sie hatte sich an seiner Seite gelangweilt und sich deshalb einen anderen gesucht, einen Abenteurer wie sie selbst. Dieser Gedanke machte seinem Selbstwertgefühl sehr viel mehr zu schaffen, als er es je für möglich gehalten hatte. Es klopfte an der Tür, als er seinen vierten Cognac herunterkippte. »Ja?«
    Nicola Engel steckte den Kopf zur Tür herein. »Störe ich?«
    »Nein. Komm rein.« Er rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. Sie betrat sein Büro, schloss die Tür hinter sich und kam näher.
    »Ich habe eben Bescheid bekommen, dass man die Immunität von Lauterbach aufgehoben hat. Das Gericht hat den Haftbefehl für ihn und Frau von Bredow bestätigt.« Sie blieb vor seinem Schreibtisch stehen und musterte ihn. »Mein Gott, wie siehst du denn aus? Nimmt dich der Fall so sehr mit?«
    Was sollte er darauf erwidern? Er war zu müde für eine taktisch kluge Antwort. Noch immer konnte er Nicola nicht richtig einschätzen. Fragte sie aus echtem menschlichen Interesse oder weil sie ihm aus seinen Fehlern und seinem Versagen den finalen Strick drehen wollte, der seine Tätigkeit als Leiter des K n beendete?
    »Die Begleitumstände nehmen mich mit«, gab er schließlich zu. »Behnke, Hasse. Dieses ganze dumme Gerede über Pia und mich.«
    »Da ist doch nichts dran, oder?«
    »Ach was.« Er lehnte sich zurück. Sein Nacken schmerzte, er verzog das Gesicht. Ihr Blick fiel auf den Cognac. »Hast du noch ein Glas?«
    »Im Schrank. Links unten.«
    Sie drehte sich um, öffnete die Schranktür, nahm ein Glas heraus und setzte sich auf einen der Besucherstühle vor seinem Schreibtisch. Er schenkte ein, ihr einen Fingerbreit, für sich selbst beinahe randvoll. Nicola Engel hob die Augenbrauen, sagte aber nichts. Er prostete ihr zu und trank, ohne abzusetzen.
    »Was ist wirklich los?«, wollte sie wissen. Sie war eine scharfe Beobachterin, und sie kannte ihn. Schon sehr lange. Bevor er Cosima kennengelernt und recht bald geheiratet hatte, waren sie zwei Jahre lang ein Paar gewesen, Nicola und er. Wozu sollte er ihr etwas vormachen? Bald würde es sowieso jeder wissen, spätestens wenn er eine neue Adresse angab.
    »Cosima hat einen anderen«, sagte er daher und versuchte, seine Stimme so gleichmütig wie möglich klingen zu lassen. »Ich hatte die ganze Zeit schon den Verdacht. Vor ein paar Tagen hat sie es zugegeben.«
    »Ach.« Das klang nicht nach Schadenfreude. Zu einem
Das tut mir leid
konnte sie sich jedoch nicht durchringen. Es war ihm auch egal. Er ergriff die Flasche, füllte sein Glas erneut. Nicola sah ihm stumm dabei zu. Er trank. Spürte die Wirkung des Alkohols auf leeren Magen und konnte verstehen, weshalb Menschen unter bestimmten Umständen zu Trinkern wurden. Cosima verschwand ganz weit hinten in seinem Bewusstsein, und mit ihr verflüchtigten sich die Gedanken an Amelie, Thies und Daniela Lauterbach.
    »Ich bin kein guter Polizist«, sagte er. »Und auch kein guter Chef. Du solltest nach jemand anderem suchen, der meinen Job macht.«
    »Auf gar keinen Fall«, antwortete sie entschieden. »Als ich letztes Jahr hier angefangen habe, war das zwar meine Absicht, das gebe ich zu. Aber ich hatte jetzt ein Jahr Zeit, deine Arbeitsweise zu beobachten und auch die Art, wie du deine Mitarbeiter führst. Von deiner Sorte könnte ich hier noch ein paar gebrauchen.«
    Er erwiderte nichts darauf, wollte sich einen nächsten Cognac einschenken, aber die Flasche war leer. Achtlos warf er sie in den Papierkorb und ließ das Foto von Cosima gleich folgen. Als er den Kopf hob, begegnete er Nicolas forschendem Blick.
    »Du solltest für heute Schluss machen«, sagte sie mit einem Blick auf die Uhr. »Es ist gleich Mitternacht. Komm, ich fahr dich nach Hause.«
    »Ich habe kein Zuhause mehr«, erinnerte er sie. »Ich

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