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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Zeiten, in denen sie noch jung und dünn und voller Träume gewesen sein mochte. »Er sah toll aus und war einfach … cool. Und trotzdem nie überheblich, wie die anderen Jungs. Wenn sie ins Schwimmbad gefahren sind, hatte er nichts dagegen, wenn ich mitkomme. Die anderen haben gemault, von wegen die kleine Klette soll doch zu Hause bleiben und so. Nee, er war schon süß. Und gescheit noch dazu. Alle haben geglaubt, er wird mal was richtig Großes. Tja. Und dann das. Aber Alkohol verändert einen Menschen. Wenn Tobi was getrunken hat, ist er nicht mehr er selbst…«
    Die Tür ging auf, zwei Männer kamen herein, und Jenny drückte rasch die Zigarette aus. Amelie räumte die gespülten Gläser weg, dann ging sie zu den Gästen, reichte ihnen die Speisekarten. Auf dem Rückweg nahm sie von einem Tisch die Tageszeitung mit. Ihr Blick fiel auf die aufgeschlagene Seite im Lokalteil. Die Polizei suchte nach dem Mann, der Tobias' Mutter von der Brücke gestoßen hatte.
    »Ach du Scheiße«, murmelte Amelie und bekam große Augen. Auch wenn das Fahndungsfoto von schlechter Qualität war, hatte sie den Mann sofort erkannt.
    Bodenstein hatte den Moment gefürchtet, in dem er Cosima gegenübertreten musste. Er hatte in seinem Büro gesessen und nachgedacht, bis es sich nicht mehr aufschieben ließ. Sie war oben im Badezimmer, als er das Haus betrat, lag in der Badewanne, wie er am Plätschern des Wassers hörte. Mit hängenden Armen stand er in der Küche, als sein Blick auf ihre Tasche fiel, die über einer Stuhllehne hing. Noch nie in seinem Leben hatte Bodenstein die Tasche seiner Frau durchsucht. Genauso wenig wäre es ihm je eingefallen, auf ihrem Schreibtisch herumzuschnüffeln – weil er ihr immer vertraut hatte und davon ausgegangen war, dass sie nichts vor ihm zu verbergen suchte. Jetzt war es anders. Er kämpfte einen Augenblick mit sich, dann ergriff er die Tasche und wühlte darin herum, bis er ihr Handy gefunden hatte. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er das Gerät aufklappte. Sie hatte es nicht ausgeschaltet. Bodenstein wusste, dass er einen schlimmen Vertrauensbruch beging, aber er konnte nicht anders. Im Menü rief er den Ordner Nachrichten auf und klickte sich durch die SMS. Gestern Abend um 21:48 hatte sie von einem unbekannten Absender eine Kurznachricht erhalten.
Morgen, 9:30? Gleicher Ort?
Und sie hatte geantwortet, nur eine Minute später. Wo war er denn gewesen? Wieso hatte er nicht mitbekommen, dass Cosima schrieb:
Alles klar, freue mich!!!
Drei Ausrufezeichen. Ein flaues Gefühl machte sich in seinem Magen breit. Die Befürchtungen, die er den ganzen Tag mit sich herumgetragen hatte, schienen sich zu bewahrheiten. Mit den drei Ausrufezeichen fielen schon mal die harmloseren Möglichkeiten wie Arzt oder Friseur weg. Darüber würde sie sich um zehn vor zehn an einem Montagabend kaum so sehr freuen. Bodenstein lauschte mit einem Ohr nach oben, während er das Handy weiter nach verräterischen Botschaften durchsuchte. Aber Cosima musste erst kürzlich den Speicher gelöscht haben, er fand sonst nichts. Er zückte sein eigenes Handy und speicherte die Telefonnummer des Unbekannten, der sich an einem Dienstagvormittag um halb zehn offenbar zum wiederholten Mal mit seiner Ehefrau traf. Bodenstein klappte das Handy zu und ließ es zurück in die Tasche gleiten. Ihm war übel. Der Gedanke, dass Cosima ihn hinterging, ihn belog, war schier unerträglich. Er selbst hatte sie noch nie angelogen, in über fünfundzwanzig Jahren Ehe nicht. Es war nicht immer von Vorteil, stets gradlinig und ehrlich zu sein, aber Lügen und falsche Versprechungen widerstrebten seinem Charakter und seiner strengen Erziehung zutiefst. Sollte er jetzt hochgehen und sie mit seinem Verdacht konfrontieren, sie fragen, weshalb sie ihn angelogen hatte? Bodenstein fuhr sich mit allen zehn Fingern durch das dichte, dunkle Haar und holte tief Luft. Nein, entschied er, er würde nichts sagen. Würde den Schein und die Illusion einer intakten Beziehung noch ein wenig wahren. Das mochte feige sein, aber er fühlte sich einfach nicht imstande, sein Leben in beide Hände zu nehmen und zu zerschmettern. Noch bestand die winzige Hoffnung, dass es nicht das war, wonach es aussah.
    Sie kamen zu zweit oder in kleinen Gruppen, wurden durch den Hintereingang in die Kirche eingelassen, nachdem sie das Codewort genannt hatten. Die Einladung war mündlich erfolgt, das Codewort war wichtig, denn er wollte sichergehen, dass nur die Richtigen dabei

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