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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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uns ja auch lange genug mit seinem abenteuerlichen Leben in Atem gehalten«, erwiderte Bodenstein. Lorenz hatte sich nach dem Abitur eine bedrohlich lang erscheinende Weile als DJ und mit allerhand Aushilfsjobs bei Rundfunk und Fernsehen durchgeschlagen. Bodenstein hätte damals gerne ein Machtwort gesprochen, aber Cosima war ruhig geblieben, fest davon überzeugt, dass Lorenz eines Tages seine wahre Bestimmung finden würde. Mittlerweile moderierte ihr Sohn bei einem großen privaten Radiosender eine tägliche dreistündige Sendung. Nebenbei verdiente er erstaunlich viel Geld als Moderator auf Galas, Sportveranstaltungen und anderen Events in ganz Deutschland.
    Man setzte sich wieder, die Stimmung war fröhlich und entspannt. Auch Rosalie hatte ihre Küche verlassen und trank Champagner.
    »Oliver.« Bodensteins Mutter beugte sich vor. »Hast du noch einen Schluck Wasser für mich?«
    »Ja, natürlich.« Er schob den Stuhl zurück, stand auf und ging durch die Küche, die seine tüchtige Tochter schon ziemlich aufgeräumt hatte, in die Speisekammer, wo er zwei Flaschen Mineralwasser aus einem Kasten nahm. Just in diesem Moment gab ein Handy in einer der Jacken, die neben der Tür zur Garage an Haken hingen, einen Signalton von sich. Bodenstein kannte diesen Ton. Es war Cosimas Handy! Er kämpfte mit sich, doch diesmal siegte sein Misstrauen. Schnell klemmte er eine der Flaschen unter den Arm und durchsuchte einhändig die Taschen der Jacke, die sie heute getragen hatte. Er fand das Handy in der Innentasche, ließ es aufschnappen und drückte auf das Briefsymbol. MEIN HERZ, ICH DENKE DEN GANZEN TAG AN DICH! MORGEN MITTAGESSEN? GLEICHE ZEIT, GLEICHER ORT? ICH WÜRDE MICH FREUEN! Die Buchstaben im Display verschwammen vor seinen Augen, seine Knie wurden weich. Die Enttäuschung traf ihn wie ein Faustschlag in den Magen. Wie konnte sie sich nur derart verstellen, ihn anlächeln und Hand in Hand mit ihm um den Glaskopf laufen? Cosima würde merken, dass jemand die SMS gelesen hatte, denn das Briefsymbol war nun erloschen. Beinahe wünschte er sogar, sie würde ihn darauf ansprechen. Er steckte das Telefon zurück in die Jacke, wartete, bis sein Herz wieder in einer normalen Frequenz schlug, und kehrte zurück ins Esszimmer. Cosima saß da, Sophia auf dem Schoß, lachte und scherzte, als ob alles in bester Ordnung wäre. Am liebsten hätte er sie vor allen Anwesenden zur Rede gestellt, ihr gesagt, dass eine Nachricht von ihrem Liebhaber auf ihrem Handy wartete, aber dann fiel sein Blick auf Lorenz, Thordis und Rosalie. Es wäre egoistisch und unverantwortlich, ihnen mit seinem noch längst nicht bewiesenen Verdacht diesen schönen Tag zu verderben. Ihm blieb nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
    Tobias schlug mühsam die Augen auf und ächzte. Sein Kopf dröhnte, kaum dass er sich bewegte, wurde ihm wieder übel. Er beugte sich über den Bettrand und übergab sich würgend in den Eimer, den jemand neben sein Bett gestellt hatte. Das Erbrochene stank erbärmlich nach Galle. Er ließ sich zurücksinken und fuhr sich mit der Hand über den Mund. Seine Zunge war pelzig, und das Karussell in seinem Kopf wollte einfach nicht anhalten. Was war passiert? Wie war er nach Hause gekommen? Bilder jagten durch sein benebeltes Gehirn. Er erinnerte sich an Jörg und Felix und andere alte Kumpels, an die Garage, an Wodka mit Red Bull gemischt. Auch ein paar Mädchen waren da gewesen, sie hatten ihm immer wieder auffällig unauffällige Blicke zugeworfen und miteinander geflüstert und gekichert. Er hatte sich wie ein Tier im Zoo gefühlt. Wann war das gewesen? Wie viel Uhr war es jetzt?
    Mit größter Anstrengung gelang es ihm, sich aufzurichten und die Beine über den Bettrand zu heben. Das Zimmer schwankte vor seinen Augen. Amelie war auch da gewesen – oder brachte er da etwas durcheinander? Tobias stemmte sich auf die Beine, stützte sich an der Dachschräge ab und taumelte zur Tür, öffnete sie und tastete sich den Gang entlang. So einen schlimmen Kater hatte er ja noch nie gehabt! Im Badezimmer musste er sich zum Pinkeln hinsetzen, sonst wäre er umgekippt. Sein T-Shirt stank nach Zigarettenrauch, Schweiß und Kotze. Widerlich. Er zog sich vom Klo hoch und erschrak, als er sein Gesicht im Spiegel sah. Die Hämatome rund um seine Augen waren abgerutscht und bildeten violettgelbe Flecken auf seinen bleichen, unrasierten Wangen. Er sah aus wie ein Zombie, und genau so fühlte er sich auch. Schritte im

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