Schneewittchen-Party
und seiner Schwester, und wir werden alles besprechen.«
»Was glauben Sie, wird er Ihnen noch erzählen können?«
»Ich will vor allem seine Schwester sprechen. Sie wohnt schon länger hier als er. Sie kennt die Leute hier wahrscheinlich gut.«
»Wissen Sie, wie Sie mir vorkommen?«, fragte Mrs Oliver. »Wie ein Computer. Sie programmieren sich selbst. Sie füttern sich mit all diesem Zeug, und dann warten Sie ab, was wieder rauskommt.«
»Das ist gar kein dummer Gedanke«, sagte Poirot interessiert. »Ja, ja, ich spiele die Rolle eines Computers. Ich werde mit Informationen gefüttert – «
»Und wenn nun lauter falsche Antworten dabei herauskommen?«, sagte Mrs Oliver.
»Das ist ganz unmöglich«, sagte Hercule Poirot. »Das tun Computer nicht.«
»Sie sollten es nicht tun«, sagte Mrs Oliver, »aber Sie würden sich wundern über das, was manchmal passiert. Meine letzte Stromrechnung zum Beispiel. Ich weiß, es gibt ein Sprichwort ›Irren ist menschlich‹ aber ein menschlicher Irrtum ist nichts gegen das, was ein Computer fertigbringt, wenn er’s erst mal versucht. Kommen Sie rein und sprechen Sie mit Mrs Drake.«
Mrs Drake war zweifellos bemerkenswert, dachte Poirot. Sie war eine große, gut aussehende Frau in den Vierzigern, ihr goldblondes Haar hatte einen leichten grauen Schimmer, ihre Augen waren leuchtend blau, und sie strahlte Tüchtigkeit aus allen Poren aus. Jede von ihr arrangierte Gesellschaft musste ein Erfolg sein.
Mrs Drake begrüßte Mrs Oliver und Poirot, der sich jedoch des Gefühls nicht erwehren konnte, dass sie dabei einen überaus starken Ärger zu verbergen suchte – was ihr auch fast gelang –, Ärger darüber, dass man sie in die Situation gebracht hatte, Gastgeberin bei einem gesellschaftlichen Ereignis gewesen zu sein, das durch etwas so Gesellschaftswidriges wie einen Mord verunziert worden war. Poirot hatte außerdem den Verdacht, dass sie glaubte, als prominentes Mitglied der Gemeinde versagt zu haben, und dass sie unglücklich darüber war. Was hier passiert war, hätte nicht passieren dürfen. Bei anderen Leuten in anderen Häusern – ja. Aber bei einem Kinderfest, von ihr arrangiert, von ihr veranstaltet, von ihr organisiert – nein. Poirot wurde das Gefühl nicht los, dass sie im Hintergrund ihrer Gedanken ärgerlich nach einem Grund für dieses Missgeschick suchte. Nicht so sehr nach einem Grund für den Mord, als nach der Möglichkeit, die Schuld einer ihrer Helferinnen zuzuschieben, die vielleicht hätte wissen müssen, dass es zu so etwas kommen konnte.
»Monsieur Poirot«, sagte Mrs Drake mit ihrer schönen klingenden Stimme, die, dachte Poirot, sich im Gemeindesaal des Ortes gut machen musste. »Ich bin so froh, dass Sie hier sind. Mrs Oliver hat mir gesagt, wie unschätzbar Ihre Hilfe in dieser Krise sein wird.«
»Ich darf Ihnen versichern, Madame, dass ich alles tun werde, was in meinen Kräften steht, aber als lebenserfahrene Frau wissen Sie sicher, dass wir vor einem schwierigen Problem stehen.«
»Schwierig?«, sagte Mrs Drake. »Natürlich ist es schwierig. Man kann kaum glauben, wirklich kaum glauben, dass etwas so Entsetzliches passieren kann. Ich nehme aber an«, setzte sie hinzu, »dass die Polizei vielleicht schon etwas weiß. Inspektor Raglan hat hier einen guten Ruf. Ob es besser wäre, Scotland Yard einzuschalten, weiß ich nicht. Man scheint der Meinung zu sein, dass der Tod dieses armen Kindes nur von lokaler Bedeutung ist. Ihnen brauche ich ja nicht zu sagen, Monsieur Poirot, wie sehr im ganzen Land diese traurigen Verbrechen an Kindern zugenommen haben. Es scheint immer mehr Psychopathen zu geben, obgleich ich auch wieder sagen muss, dass Kinder heutzutage nicht mehr so gut beaufsichtigt werden wie früher. Die Kinder werden an dunklen Abenden allein aus der Schule nachhause geschickt oder gehen am frühen Morgen, wenn es noch dunkel ist, in die Schule. Und Kinder sind nun einmal leicht beeindruckbar, wenn ihnen jemand anbietet, sie in einem schicken Auto mitzunehmen – da kann man sie vorher noch so gewarnt haben. Dagegen kann man nichts machen.«
»Aber das, was hier passiert ist, Madame, war etwas völlig anderes.«
»O ja, ich weiß. Darum habe ich gesagt, es ist kaum zu glauben. Ich kann es auch jetzt noch nicht ganz glauben«, sagte Mrs Drake. »Alles lief wunderbar. Alles war genau geplant und wickelte sich auch planmäßig ab. Ich persönlich bin der Überzeugung, dass es sich um einen Täter von außen handelt. Irgendjemand
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