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Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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leider nicht.«
    Der Priester trat näher.
    »Blanche hat mir von Annabelles Unfall erzählt. Und kurz darauf ist der arme Costa auf so brutale Weise gestorben . Die Ereignisse überschlagen sich, Monsieur Moreno. Das Böse enthüllt seine widerwärtige Fratze und entblößt seine Fangzähne. Ich habe den Eindruck, dass es Sie im Visier hat. Warten Sie in einer Stunde in der Kapelle auf mich«, flüsterte er, »ich will versuchen, Sie etwas besser zu schützen.«
    »Wie bitte?«
    »Ah, danke, Aicha.«
    Ohne etwas hinzuzufügen, kehrte er in den Salon zurück.
    »Ich gehe nach oben!«, sagte Chib zu der fassungslosen Aicha.
    Vor Charles Zimmer blieb er stehen und legte das Ohr an die Tür. Das Geräusch von Computertasten, begleitet von den üblichen elektronischen Tönen. Gut. Aus dem Zimmer von Louis-Marie drangen die Klänge von Jardins sous la pluie von Debussy. Unterbrechung, Wiederholung, derselbe Irrtum an derselben Stelle, und wieder von vorne. Offenbar übte er an seinem Synthesizer. Sehr gut. Der Weg war frei. Mit dem Gefühl, einen Einbruch zu begehen, legte er die Hand auf die Klinke des ehelichen Schlafzimmers und trat ein. Das Zimmer lag im Halbdunkel, die Fensterläden waren geschlossen. Das Bett war gemacht, eine himmelblaue, tadellos glatt gestrichene Decke, dazu passende Kissen mit Volants. Er schob die Hand unter die Matratze, nicht daran denken, was in diesem Bett geschehen war, suche, sei effizient, auch am Holzrahmen nichts, er ging auf alle viere, kein Staubkorn auf den glänzenden Fliesen, legte sich auf den Rücken und schob sich unter das Bett.
    Da, in der linken Ecke an der Wand, halb verborgen hinter einer Holzleiste, eine kleine verchromte Dose, kaum größer als eine Zigarettenschachtel. Mit dem Gefühl, es handele sich um ein gefährliches und abstoßendes Insekt, griff er danach. Ein kleines Schmuckstück in Miniatur. Er drückte auf >eject<, und eine winzige Kassette sprang heraus. Wie oft hatte man die Liebesnächte der Andrieus aufgenommen?
    Die Kassette in der Tasche, verließ er das Zimmer. War auch Elilous Zimmer auf ähnliche Art »ausgestattet«? Auf alle Fälle war es dort ebenso dunkel. Eine rosafarbene Bettdecke mit kleinen weißen Schäfchen. Alle Spielsachen des Kindes waren noch da. Bis hin zu dem Buch, das auf dem Nachttisch lag. Ein illustriertes Märchen. Le Mouton qui voulait etre un loup (Das Schaf, das gerne Wolf sein wollte). Auf dem Einband zeigte ein hübsches weißes Schaf seine Zähne und versuchte, sich einen wilden Ausdruck zu geben. Chib schlug das Buch auf. Auf der ersten Seite stand eine Widmung Für Annabelle von ihrer Maman. Aber Elilou hat das Buch gelesen. Ein etwas kindliches Buch für ihre acht Jahre. Elilou, laut Annabelle eine Diebin.
    Diebin der mütterlichen Liebe? Getrieben von dem Wunsch, ins Kleinkindstadium zurückzukehren, um all dem zu entfliehen, was man ihr antat? Allein bei der Erinnerung an die Aufnahme von der Vergewaltigung wurde ihm wieder übel. Er zwang sich, tief durchzuatmen und schob sich unter das Bett. Nichts. Man hatte das Spielzeug wieder abgeholt.
    »Was machen Sie da?«
    Er schreckte auf und stieß sich den Kopf an dem Holm aus lackiertem Pinienholz.
    Die Arme vor der Brust verschränkt, sah Charles ihn herausfordernd an.
    »Dein Vater hat mich beauftragt, Nachforschungen über verschiedene Ereignisse anzustellen, die sich in diesem Haus zugetragen haben«, antwortete Chib und erhob sich.
    »Nachforschungen welcher Art?«
    »Es ist nicht meine Sache, dir das zu sagen.«
    »Macht es Ihnen Spaß, im Zimmer meiner Schwester rumzumachen?«
    »Und macht es dir Spaß, wenn Costa an dir rummacht?«
    Die Antwort war ihm einfach so herausgerutscht.
    Der Junge lief rot an, und sein Gesicht verzog sich.
    »Schwarzes Dreckschwein!«
    »Mein kleiner Charles, du vergisst dich! Ein so wohlerzogener Junge … Das wird deiner Maman gar nicht gefallen.«
    »Lassen Sie meine Mutter in Ruhe!«
    »Ist es wahr, dass du mit Barbiepuppen spielst? Warst du Costas kleine Barbiepuppe?«
    »Dreckskerl!«
    Charles Faust landete auf Chibs Kinn und schleuderte ihn aufs Bett. Der Mund verzerrt und keuchend vor Wut, stürzte sich der Junge auf ihn. Chib konnte sich gerade noch zusammenrollen, um den geballten Fäusten zu entgehen, die wie ein Vorschlaghammer auf ihn niedersausten. Er sprang auf, warf dem aufgebrachten Charles ein Kissen an den Kopf und nutzte die kurzfristige Sichtbehinderung, um ihm mit einem kräftigen Tritt zu Fall zu bringen, sich

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