Schneewittchens Tod
mein Lieber, Sie hatten verdammtes Glück! Nun sieh sich das mal einer an«, sagte der Arzt, ein junger Mann mit der heiseren Stimme eines Kettenrauchers. »Wir müssen sie hier rausnehmen. Zu riskant, ihn bis ins Krankenhaus zu karren.«
Schon wieder ein Witz. Man würde ihn im Esszimmer der Andrieus aufschneiden. Haha.
»Ein Glück für Sie, dass ich heute Dienst habe! Wie werden jetzt zur Ambulanz gehen, okay? Ganz langsam. Nein, keine Bahre, es ist besser, wenn er sich aufrecht hält«, sagte der Arzt den Krankenträgern.
»Aber . Sie werden ihn doch nicht im Krankenwagen operieren?«, wunderte sich Belle-Mamie.
»So etwas nennt man mobiles Operationszentrum, wenn Sie wollen, einen Krankenwagen, der für Intensivbehandlungen eingerichtet ist. Nachdem Sie uns beschrieben haben, was passiert ist, schien es uns besser, mit einer Ausrüstung zu kommen, die eine Operation vor Ort erlaubt. So, kommen Sie, wir gehen«, sagte er und nahm Chib beim Arm.
Mein Gott, wie weich seine Knie waren! Wie Spaghetti, nicht einmal die Sauce Bolognaise fehlte, die hatte er im Nacken. Ein Krankenpfleger hakte ihn auf der anderen Seite unter, und sie gingen langsam zum Krankenwagen, der vor der Fenstertür stand. Mobiles Operationszentrum? Sehr gastlich. Das konnte man von dem Landhaus nicht eben behaupten. Bitte Chib, keine dummen Witze, wenn der Tod hinter deinem rechten Ohr lauert, wohlig eingerichtet zwischen deinen zerfetzten Muskeln, und in aller Seelenruhe seinen Bloody-Moreno schlürft.
Im Inneren des Krankenwagens roch es nach Antiseptika. Man legte ihn bäuchlings auf den Operationstisch. Zahlen, Stimmen, Apparate, Blutkonserven, Mundsschutz, ein Monitor, auf dem Ziffern und Grafiken flimmerten.
»Bis gleich«, sagte der junge Arzt und machte dem Anästhesisten ein Zeichen.
Er spürte, wie sich die Nadel in seinen Arm bohrte, hörte jemanden zählen, dann hörte er nichts mehr.
KAPITEL 18
Wieder ein benommenes Erwachen. Aber der Schmerz war weniger stark. Und es war Tag. Und er lebte, unbestreitbar. Und das Eigenartigste war, dass ihm das fast normal schien. Er versuchte vorsichtig, den rechten Arm zu heben, sah die Nadel in der Beuge stecken und senkte ihn wieder. Die linke Hand war frei. Er bewegte sie vor seinen Augen. Alles klar zu sehen. Er hob sie an den Kopf. Verbände. Dicke Verbände. Wie eine große Mütze. Chib der emeritierte Kampfschwimmer tauchte aus dem Ozean des ewigen Eises auf. Welcher Tag war heute? Was für ein schöner Tag, der Donnerstag. Tröpfeln zu seiner Rechten. Eine Fensterscheibe. Es regnete. Ein schöner, regnerischer Donnerstag. Donnerstag, der Tag des Jupiter, danke Jupi!
Er sah, dass man sein Handy auf den Nachttisch gelegt hatte, und bekam es zu fassen. Es gab vier Nachrichten von Gaelle, die von Fröhlichkeit über Verwunderung bis Ängstlichkeit reichten. Er rief sie an, die Mailbox, er hinterließ, er habe einen kleinen Unfall gehabt, aber es gehe ihm gut, er würde sie wieder anrufen, sobald er könne. Sie hatte sicher durch Aicha von dem Anschlag auf ihn erfahren.
Die Tür öffnete sich, und der junge Arzt trat ein. Ein kleiner Rotschopf mit schiefen Zähnen, langem Nackenhaar, einem Kittel, der über einem Nike-T-Shirt geöffnet war, und tiefen Schatten unter den Augen.
»Guten Tag, ich bin Doktor Flamel, fühlen Sie sich besser?«
»Von einem Gewicht befreit, würde ich sagen.«
»Wollen Sie es sehen?«, fragte der junge Arzt lachend. Er reichte ihm einen Plastikbecher, in dem auf einem weißen Tupfer ein platt gedrücktes und geschwärztes Stück Metall lag.
»Sie saß neben dem zweiten Halswirbel, gleich neben dem pneumogastrischen Nerv. Sie hat die Wirbelsäule gekitzelt«, fügte er freundlich hinzu, »jene Art Berührung, die Sie für den Rest Ihrer Tage erstarren lassen kann wie tiefgefrorenes Gemüse.«
»Danke«, sagte Chib und stellte den Becher zurück auf den Nachttisch. »Wann kann ich nach Hause?«
»Wenn Sie wollen, übermorgen. Es handelt sich nur noch um eine hässliche Fleischwunde, die verheilen muss. Ich denke, die Stuhllehne hat Ihnen das Leben gerettet.«
»Warum?«
»Das Schmiedeeisen hat den größten Teil des Aufschlags abgefangen. Die Kugel ist daran abgeprallt und hat so achtzig Prozent ihrer Wucht verloren. Sonst hätte sie Ihnen den Kopf zerfetzt, es war ein Acht-Millimeter-Kaliber, da gibt es kein Pardon. Eine Acht-mal-fünfundsiebzig-JS, das gab's vor langer Zeit. Sind Sie Jäger?«
»Nein«, sagte Chib, »wirklich nicht.«
»Ich auch
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