Schneewittchens Tod
er gesessen hatte. Die Rückenlehne war tief eingekerbt. Man musste ihn mit etwas wirklich Hartem geschlagen haben, um das Schmiedeeisen so zu verbeulen. Eine Brechstange? Vielleicht hatte er einen Schädelbruch. Er schwankte, fand sein Gleichgewicht wieder, metallisches Klirren, als er an die Karosserie stieß. Sicherlich seine Schlüssel. Die Kassette! Er schob die Hand in seine Tasche und zog die Armbanduhr heraus. Keine Kassette mehr.
Sein Angreifer hatte sie sich zurückgeholt! Adrenalin schoss durch seinen ganzen Körper, trübte kurz seinen Blick. Wieder zwang er sich, tief durchzuatmen. Dann ein Schimmern zu seiner Linken in der Nähe der Eukalyptussträucher. Ein Plätschern. Schwerfällig steuerte er auf den Pool zu, steif und ruckartig wie ein lebender Toter. The Attack of The Three Feet Black Zombi, Technicolor, Sie hören garantiert die Engel im Himmel singen!
Er war fast darauf gefasst, Elilou im klaren Wasser treiben zu sehen, aber das Becken war leer. Er sagte sich, dass vielleicht jemand einen Stein ist Wasser geworfen hatte, um seine Aufmerksamkeit abzulenken. Aber von was? Er drehte sich um, sah den Schatten an der Mauer. Riesig und verzerrt durch die Scheinwerfer, die im Gras aufgestellt waren, um den Garten zu erleuchten. Da war jemand, ganz in seiner Nähe, zwischen dem Licht und dem Haus. Aber wo? Er erkannte nur die sich wiegende Masse der Bäume. Der Schatten hatte die Hände in die Hüften gestemmt, dann streckte er einen Arm aus und hob die Hand zum Fuck-you-Zeichen. Chib öffnete und schloss ungläubig die Augen. Er stand allein am Rande des Pools. Er zitterte vor Kälte und Müdigkeit. Und er hatte Angst.
Mit schlurfenden Schritten und hängenden Armen machte er sich auf den Weg zum Haus. Sehr elegant, Chib, mit diesem originellen Auftritt wirst du die Eiskappe zum Schmelzen bringen, die Blanche als Herz dient. Welche Frau hätte nicht davon geträumt, die Verlobte von Frankenstein zu sein?
Nach zwanzig Metern, die ihm wie tausend vorkamen, erreichte er die Fenstertür zum Esszimmer. Sie waren alle da, Andrieu, Blanche, Dubois, Belle-Mamie, vor sich Stapel von Papier. Er drückte mit den Fingern gegen die Scheibe und stellte fest, dass sie dunkle Flecke darauf hinterließen. Blanche hob den Kopf, und er sah, wie ihr Blick starr wurde. Er senkte die Hand auf die Klinke, die Tür öffnete sich, fast hätte er das Gleichgewicht verloren und taumelte ins Zimmer.
»Was ist denn mit Ihnen los?«
Andrieu hatte sich erhoben und kam auf ihn zu.
»Ich habe einen Schlag in den Nacken bekommen«, brachte Chib mühsam hervor.
»Was sagt er?«, fragte Belle-Mamie verblüfft.
»Er hat einen Schlag in den Nacken bekommen«, wiederholte Dubois.
»Wie der arme Costa?«, murmelte sie und legte das Blatt zur Seite, das sie gerade las.
»Sind Sie gefallen?«, fragte Andrieu und führte Chib zu einem Stuhl.
»Man hat mich niedergeschlagen.«
Nun erhob sich auch Dubois. Blanche hatte die Lippen zusammengepresst und rührte sich nicht. Ihre Hände zitterten. Andrieu zog einen Stuhl heran.
»Setzen Sie sich und erzählen Sie uns alles.«
Chib setzte sich langsam, er machte alles langsam, so, als würde er mit einem Bleigürtel beschwert unter Wasser schwimmen. Er legte seine blutbeschmierten Hände auf die Knie und sah, dass alle entsetzt darauf starrten. Dann hörte er Andrieu murmeln: »O mein Gott!« Blanche hob den Kopf zu ihrem Mann. Dubois legte eine Hand auf Chibs Schulter und murmelte: »Ruft den Notarzt, schnell!«
»Das ist nicht nötig«, meint Chib, »es geht schon.«
»Sie sollten sich besser untersuchen lassen, mein Lieber«, versicherte Andrieu mit angespannter Stimme.
»Nein, es geht, ganz bestimmt«, protestierte Chib.
»Das glaube ich nicht, denn Sie haben ein Loch im Nacken.«
»Ein Loch?«
»Nach meiner Erfahrung als Krankenhausgeistlicher in Algerien würde ich sagen, dass Sie durch eine Kugel verletzt wurden«, sagte Dubois und drückte leicht seine Schulter.
»Eine Kugel?«, wiederholte Chib.
Eine Billardkugel?
Andrieu räusperte sich.
»Hm … ich glaube, Dubois hat Recht … Hm … und ich glaube, die Kugel steckt noch drin.«
»Wo?«, fragte Chib, der Lust hatte, zu schlafen.
»In Ihrem Kopf«, antwortete Dubois sanft.
Eine bunte Billardkugel, vielleicht eine gelbe, in seinem braunen Kopf, eine Sonnenblume im Topf. Das ist nicht der richtige Moment, um Scherze zu machen, wollte Chib ihm sagen, aber er sah, dass Blanche schon nach dem Telefon griff und mit
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