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Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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Kleine hier irrt ganz allein im Haus herum!«, sagte sie und ließ Eunice in den Toilettenraum.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Blanche. »Ich weiß es wirklich nicht. Wie spät ist es?«
    »Blanche, ist alles in Ordnung?«
    Belle-Mamie musterte sie mit dem scharfen Blick eines Kapitäns, der den Horizont nach dem Festland absucht, aber nur Nebelbänke sieht.
    Blanche verzog die Mundwinkel zu einem starren Lächeln und blieb so stehen, die Hände vor dem Schoß gefaltet.
    »Ich gehe Aicha suchen«, sagte Chib.
    Niemand antwortete. Er gelangte in den Ostflügel und klopfte an ihre Zimmertür. Auch hier keine Antwort. Die Tür war nicht abgeschlossen. Er trat ein. Die Arme ausgebreitet, die Augen geschlossen, lag Aicha auf dem Bett. Auf das Schlimmste gefasst, stürzte er zu ihr, stellte aber erleichtert fest, dass sich ihre Brust regelmäßig hob und senkte. Sie schlief. Sie hatte mit Greg gevögelt und war eingeschlafen, obwohl sie sich um die Kinder kümmern sollte. Trieb es Greg wirklich so wild, dass seine Gespielinnen danach völlig kraftlos in bleiernen Schlaf versanken? Er schüttelte sie, doch sie knurrte nur, ohne sich zu bewegen, ein Rinnsal Speichel in ihrem Mundwinkel. Er dachte sofort an die Tabletten von Cordier und begann, auf ihrem Nachttisch zu suchen, auf dem ein Stapel mit Zeitschriften lag, ein Aschenbecher, Zigaretten, ein Feuerzeug, ein Röhrchen Aspirin, Ohrringe, ein kleiner goldener Plastikwecker, eine Schachtel mit Kleenex-Tüchern, ein fast leeres Glas mit Coca-Cola und ein Folienstreifen Mepronizin, in dem fünf Tabletten fehlten. Gut überlegt, Chib. Offensichtlich hatten die Frauen des Hauses eine Vorliebe für kleine Wunderpillen. Bei Aicha hatte er allerdings noch nie aufschlussreiche Symptome entdeckt. Und wie sollte er sie jetzt wach bekommen? Mit einem Glas kaltem Wasser? Er zögerte, wusste nicht so recht, wie er sich verhalten sollte, als plötzlich hinter ihm die Tür aufging.
    »Was ist denn hier schon wieder los?«, ertönte die kalte und überdrüssige Stimme von Andrieu, bevor sie eine Oktave höher fortfuhr: »Mist! Was ist …« »Sie schläft. Sie hat wohl ein Schlafmittel genommen«, erklärte Chib.
    »Ein Schlafmittel? Mittags? Wo sie sich doch um die Kinder kümmern soll? Das ist völlig unsinnig!«
    Chib zuckte die Schultern. Unsinnig, ja. Greg verlässt das Zimmer, um sich ihnen, Gaelle und ihm, anzuschließen, und Aicha sagt sich: Na, wenn ich nichts Besseres zu tun habe, ziehe ich mir 'ne ordentliche Dosis Mepronizin rein und mache ein kleines Nickerchen. Er schüttelte sie erneut, und sie öffnete stöhnend die Lider.
    »Aicha! Wach auf!«
    »Jetzt sagen Sie bloß nicht, das Hausmädchen schläft!«
    Die Hände in die Hüften gestemmt, stand Belle-Mamie kopfschüttelnd in der Tür.
    »Wie man sieht, nimmt es das Personal in diesem Haus nicht so genau. Alles geht drunter und drüber«, spottete sie und sah ihren Sohn herausfordernd an.
    Gleichgültig gegen die bissige Bemerkung seiner Mutter, untersuchte Andrieu die Tablettenschachtel.
    »Das sind die, die Blanche von Cordier verschrieben bekommen hat«, sagte er.
    »Und noch dazu ist sie eine Diebin! Wer hätte das gedacht! Die Stimme des Blutes lässt sich nicht leugnen«, fügte Belle-Mamie mit geschürzten Lippen hinzu.
    Das Blut von Chib begann zu kochen, und er musste sich sehr zusammenreißen, um ihr nicht an die Gurgel zu gehen, zumal sie sich jetzt an ihn wandte: »Verpassen Sie ihr zwei, drei Ohrfeigen, dann wacht sie schon auf!«
    »Hm«, machte Aicha und verdrehte die Augen, »hm.«
    »Ich fürchte, sie hat noch mehr genommen«, sagte Adrieu, einen weiteren angebrochenen Folienstreifen in der Hand. »Ich rufe Cordier an, für alle Fälle.« »Eine ordentlich kalte Dusche, und die Sache ist vergessen«, knurrte Belle-Mamie. »Wie die Männer die Dinge komplizieren können!«
    Gregs Stimme in der Halle: »Mann, wo steckt dieser Chib bloß wieder?«
    Die von Blanche: »Er ist bei Aicha. Möchten Sie etwas trinken?«
    »Nein, danke. Bei Aicha?«
    Jetzt Dubois: »Oh, Sie müssen der Geschäftspartner von Mademoiselle Holzinski sein, ich bin Pater Dubois.«
    »… genehm, … schuldigung.«
    Schritte, dann die kräftige Gestalt von Greg, die ins Zimmer stürmt und Belle-Mamie beiseite stößt.
    »Ach du meine Scheiße!«
    »Sie schläft, reg dich nicht auf.«
    »Sie schläft. Du willst mich wohl verarschen?«
    Aus den Augenwinkeln sah Chib, wie Belle-Mamie pikiert das Zimmer verließ:

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