Schneewittchens Tod
auftauchte. »Gibt's was Neues?«
»Nein, nein, nichts«, sagte Chib hastig.
Doch Greg brüllte schon: »Dieser Drecksack von einem Irren hat eine ganze Horde Katzen abgemurkst!«
Andrieu sah Chib verdattert an.
»Sie haben Katzen getötet?«
»Aber nein, er doch nicht! Ihr Drecksack«, stellte Greg klar und tippte Andrieu auf die Brust.
»Ich weiß nicht .«
»Wir haben im Pool vier ertrunkene Kätzchen gefunden«, erklärte Gaelle mit gesetzter Stimme und stieß Greg mit dem Ellenbogen weg. »Hören Sie, die Situation verschärft sich, irgendwer treibt hier auf Ihrem Besitz sein Unwesen.«
»Im Stil von Invasion der Grabschänder«, meinte Greg trotz des Rippenstoßes von Chib.
Andrieu runzelte die Stirn.
»Es kommt öfter vor, dass Leute einen ganzen Wurf von Katzen ertränken«, meinte er kleinlaut und starrte auf den Plastiksack.
»Ja, aber selten in Ihrem Pool und noch seltener, nachdem ihnen die Augen ausgerissen wurden!«, knurrte Greg.
Andrieu fuhr zusammen, und Chib stellte fest, dass seine Augenlider nervös zuckten. Doch bevor er antworten konnte, kreuzten Paul und Noemie Labarriere, wie so oft im dunkelgrünen Gewand von Gutsbesitzern, auf. Begrüßung, überschwänglicher Empfang. Die Labarrieres speisten bei den Andrieus, auch die Osmonds, denen man auf dem Heimweg von der Messe begegnet war. Ein sonntägliches Mittagessen mit der Aussicht auf die nächste humanitäre Aktion für »Terre du Nil«, die ganz offensichtlich die Kräfte des Andrieu-Clans und ihrer Nachbarn mobilisierte. Noemie spielte auch auf die baldige Hochzeit von Chassignol an, der, begleitet von seiner lieben Winnie, zum Kaffee erwartet wurde. Woraufhin Greg Chib ins Ohr flüsterte, dass er sich an die Serie auf Tele Monte Carlo erinnerte fühle. »Weißt du, dieser halbschwule Detektiv mit Schnurrbart, der am Ende, wenn alle versammelt sind, plötzlich den Namen des Täters nennt, zack, einfach so, während er seinen Kaffee schlürft.« Ja, sagte sich Chib, nur dass meine grauen Zellen, im Unterschied zu denen von Hercule Poirot, total weiß sind. Ein weißes, unberührtes Schneefeld ohne die geringste Spur, von der man etwas Vernünftiges hätte ableiten können.
Er stellte fest, dass ihm Noemie einen verschwörerischen Blick zuwarf, und zwang sich zu einem Lächeln. Dann begaben sich die Gäste ins Haus, woraufhin Greg ein paar deftige Kommentare zu Noemie Labarrieres üppigem Hinterteil abgab und verkündete, dass er Hunger habe.
»Komm mir bloß nicht auf die Idee, dich zu diesem Essen einladen zu lassen!«, drohte Chib.
»Was? Wie kommst du denn darauf. Ich werde nur die gute Colette fragen, ob sie uns ein paar Sandwiches macht. Habt ihr Hunger, ihr beiden?« »Nein«, sagte Gaelle, »wir sind doch eben erst angekommen.«
»Ich sehe nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Gut, dann kriegt ihr eben nichts.«
Sie sahen ihm nach, wie er sich mit großen Schritten entfernte, die Hände tief in den Taschen seiner Fallschirmspringerhose vergraben.
»Er ist wirklich erholsam, verglichen mit dir«, meinte Gaelle.
Chib zuckte die Schultern, was den Schmerz in seiner Wunde aufs Neue weckte. Er wollte ins Haus gehen und Blanche sehen. Sich Blanche mit seinem Verband zeigen, der bewies, dass er sein Leben riskiert hatte. Wie ein kleiner Junge, der stolz war, sich geprügelt zu haben. Kleiner Kindskopf von Chib. Konzentriere dich lieber auf das, was auf diesem verdammten Anwesen passiert. Er wandte sich zu Gaelle.
»Kannst du uns verraten, wie lange sie schon tot sind?«
»Schwer zu sagen, da sie im Chlorwasser waren. Lass sehen.«
Sie beugte sich über den Sack, nahm einen der Kadaver heraus, legte ihn auf den Beckenrand. Chib wandte sich ab. Das Echo von Stimmen aus dem Haus. Der Schrei einer Elster. Jemand in der Nähe mähte den Rasen. Ein friedlicher Sonntag.
»Sie sind nicht ertrunken«, meinte Gaelle in seinem Rücken. »Man hat ihnen das Genick gebrochen. Ich würde sagen, sie sind seit einigen Stunden tot.«
»Seit heute Nacht oder heute Morgen?«
»Genau.«
»Kurz vor dem Gang zur Messe, um sich für den Tag in Form zu bringen«, höhnte Chib zornig.
»Weißt du, was ich denke?«, fragte Gaelle plötzlich und machte den Plastiksack zu.
»Nein, aber du wirst es mir sagen.«
»Er tötet einen kleinen Hund, die Kätzchen, ein Kind .« »Einen Mann .«
»Ja, aber das ist nicht dasselbe, das dient nicht seiner Lustbefriedigung. Seine echten Opfer sind präpubertäre Säugetiere.«
»Da fühle ich
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