Schneewittchens Tod
Silver Fight. Was hast du sonst noch zu bieten?«
»Ganz, ganz viel!«, sagte sie und hielt ihm den Gameboy hin.
Greg drückte auf verschiedene Knöpfe der Mini-Playstation und löste eine Reihe von elektronischen Piepstönen und Melodien aus, die Chib in den Ohren wehtaten.
»He«, rief er plötzlich. »Was ist denn das für 'ne Sauerei?«
Annabelle riss die Augen auf und sprang hoch, um ihm den Gameboy zu entreißen, aber Greg musste nur die Hand heben, und sie blieb wütend an seinem Ärmel hängen.
»Gib ihn mir zurück, der gehört mir, du Dieb!«
»Moment mal. Chib, sieh dir das an.«
»Dieb!«, schrie Annabelle und trat ihn mit aller Wucht gegen das Schienbein.
»Au, sag mal, spinnst du? Mach das noch mal, und ich verpass dir 'ne Tracht Prügel, verstanden?«, knurrte Greg und ließ seine Muskeln spielen.
Die Kleine rannte heulend zu ihrem Vater. Greg senkte den Arm und zeigte Chib den Gameboy.
»Das ist was ganz Komisches drin. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg, Mann.«
»Erklär.«
In der Liste der zugänglichen Programme deutete Gregs riesiger Zeigefinger auf einen der Titel, »Snake Combat«.
»Siehst du das?«
»Ja und? Du greifst mit bloßen Händen nach Klapperschlangen oder so?«
»Nein, nein, mein Unschuldsengel, du greifst mit bloßen Händen nach kleinen, nackten Ärschen.«
»Wie bitte?«, stammelte Chib, der sicher war, falsch verstanden zu haben.
»Es ist ein kodiertes Programm. Der wirkliche Titel ist >Sexual Combat<; es ist in Sex-Shops und im Internet erhältlich. Meiner Meinung nach völliger Schrott, aber das ist nicht das Problem.«
»Willst du mir gerade weismachen, dass Annabelle ein PornoSpiel in diesem Ding da hat?«, flüsterte Chib.
»Genauso ist es.«
»Aber da könnte ja jeder zufällig drangeraten!«
»Nein, eben nicht, für den Zugang benötigt man einen Code. Sonst denkst du, das Spiel funktioniert nicht, das ist alles. Du bekommst eine Fehlermeldung: >Dieses Programm ist nicht lesbar.<«
»Kennst du den Code?«
»Nein, nur derjenige, der das da reinprogrammiert hat, kennt ihn.« »Vielleicht weiß die Kleine also nichts von diesem . Ding.«
»Möglich, aber da sie mir reichlich unflätig vorkommt .«
»Greg, sie ist sechs.«
»Meine Mutter hat mit acht angefangen, auf den Strich zu gehen .«
»Ja, aber weil sie in Not war, weil sie Hunger hatte: Ihre eigene Mutter war Prostituierte und ihr Vater ein Säufer, der sie ständig verprügelt hat!«
»Trotzdem hat sie niemand gezwungen.«
»Die Umstände haben sie gezwungen …«
»Komm, hör auf, ist doch auch egal. Ich sage bloß, dass die Kleine keine Heilige ist, nur weil sie erst sechs ist. Okay? Da kommt die Ambulanz.«
Ein Arzt erschien, nicht derselbe, etwas älter und mit Bart, begleitet von den Krankenträgern. Ob es dieselben waren, die ihn geholt hatten?, fragte sich Chib, als sie im Laufschritt an ihm vorbeieilten. Die Stimme von Cordier, die dem Notarzt den Sachverhalt erklärt, dann wieder die Krankenträger, die mit Aicha auf der Bahre zur Ambulanz zurücklaufen, Annabelle, die an ihrem Vater klebt, Dubois, der, sichtlich frierend, das Haus betritt, während die Ambulanz abfährt und Andrieu ihr nachschaut, ohne auf das zu hören, was Cordier ihm erzählt, Greg, der zu ihm eilt, Genaueres zu erfahren.
»Ich hatte Ihnen ja gesagt, dass sich die Dinge beschleunigen«, sagte Dubois im zufriedenen Tonfall des Mannes, der das Spiel des Feindes durchschaut. »Wer wird der Nächste sein?«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Dass der böse Geist, der im Anwesen umgeht, nie zweimal dieselbe Person anvisiert«, flüsterte ihm der Priester vertraulich zu. »Er setzt sein unreines Mal der Reihe nach auf jeden >mit dem einzigen Ziel, sie alle zu besudeln Chib musterte ihn: Tatsächlich war der Priester aschfahl und fröstelte sichtlich. Dabei war es ganz mild.
»Seit heute Morgen ist mir eiskalt«, fuhr Dubois fort. »Die Kräfte der Finsternis bringen stets Kälte mit sich, weil der Hass kompakt und schneidend ist wie Eis. Eisberge des Hasses, die schmelzen und auf ihre erstarrten Opfer tropfen, Spinnen aus Eis, die einem langsam die Seele aussaugen, genau das sind sie!«
»Von welcher Art Spinnen sprechen Sie?«
Greg sah die beiden ratlos an.
»Das ist eine Metapher. Wie geht es Aicha?«
»Wird schon gehen. Ich fahre nachher in die Klinik, um nach ihr zu sehen. Verdammt, ist das
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