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Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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doch das störte sie nicht. Es waren die Toten, die die Lebenden störten, nie umgekehrt.
    Die Hügel. Die Straße, die sich zwischen den Olivenbäumen schlängelte. Verschneite Berge, ganz nahe. Er könnte am Wochenende Ski fahren, das würde ihn auf andere Gedanken bringen. Und Sie, Blanche, glauben Sie nicht, dass Ihnen ein bisschen Pulverschnee gut täte?
    Stopp.
    Transformatorenhaus, Abzweigung, schmiedeeisernes Tor, finstere Villa in der untergehenden Sonne. Er betätigte die Klingel.
    Schritte auf dem Kies, die jugendliche Gestalt von Aicha, das lange schwarze Haar zu einem Knoten gebunden.
    »Also wirklich, wir scheinen unzertrennlich! Sind Sie allein?«
    »Leider ja. Das heißt, ich habe Elilou im Kofferraum.«
    Sie riss entsetzt die Augen auf.
    »Wie schrecklich!«
    »Madame Andrieu hat mich gebeten, sie ihr zurückzubringen. Ihr Mann ist, glaube ich, in Paris.«
    »Ja, er kommt erst heute Abend nach Hause. Aber … wie … wollen Sie sie zur Kapelle transportieren?«
    »Sie ist nicht schwer.«
    »Sie können sie doch nicht einfach so unter den Arm klemmen!«, rief sie entrüstet, als sie ihn den Kofferraum öffnen und ein großes, in eine Decke gewickeltes Paket herausnehmen sah.
    »Was soll ich denn machen? Sie in eine Kutsche legen, die von Schimmeln gezogenen wird?«
    Die Anspielung auf Mirage de la Vie ließ sie erstarren. Nervös glätteten ihre Hände die weiße Schürze.
    »Das ist abscheulich. Tragen Sie sie schnell in die Kapelle, bevor ich Madame Bescheid gebe.«
    »Der Tod ist abscheulich. Ich bin nicht für ihn verantwortlich.«
    »Nein, aber es scheint Sie völlig kalt zu lassen.«
    Ihn sollte das kalt lassen? Ihn, der beauftragt war, Anteil zu nehmen, den Übergang ins Jenseits möglichst gut zu organisieren? Ihn, der Ordnung ins Sterben bringen sollte? Während dieses kleine Mädchen Tag und Nacht an seinem Innern nagte, als wäre er es, den man mit Säure füllte! Vielleicht war das der Vorwurf, den Greg ihm machte - keine Gefühle zu zeigen.
    Den Sarg gegen die Hüfte gestemmt, Aichas Atem im Rücken, machte er sich auf den Weg zur Kapelle. Sie bog wortlos zum Wintergarten ab. Also bitte, sei nur sauer, ganz sicher bin ich nicht der große schöne Greg-der-Draufgänger. Ich bin Black Shaman, der Überbringer schlechter Botschaften, derjenige, den man am liebsten mit den schlechten Nachrichten ins Feuer werfen würde. Der nach der Verderbtheit des Fleisches riecht.
    Du bist vor allem in puncto Frauen eine Null, mein Lieber. Hör auf mit deiner Psycho-Tour und stell diese verdammte Kiste vor dem Altar ab.
    So. In der Kapelle roch es nach Kälte, nach kaltem Staub. Das Licht, das durch die Glasfenster drang, durchflutete das Schiff und tauchte den gefliesten Gang in einen rosafarbenen Schein. In einer Ecke ein großer Gegenstand unter einem weißen Laken. Er hob es ein Stück an, ließ es dann ganz heruntergleiten. Es war der Glasschrein. Er betrachtete ihn neugierig. Ein Sarg aus Kristall, Typ »Grab«. Er begutachtete die diskret angebrachte Vorrichtung zum Ableiten der Gase, die hermetischen Verschlüsse; sie entsprachen den geltenden Regeln. Der Boden war mit weißem Samt ausgelegt, und dazu ein kleines weinrotes Kissen. Ein kleines Prinzessinnenbett unter einer Glasglocke. Ein Bettchen für Schneewittchen-in-der-Kapelle. Eine fast abgebrannte Kerze unter dem Bildnis der Jungfrau mit den geöffneten Armen und dem einladenden Lächeln. Die neue Maman von Elilou. Die Gute Mutter, die nie schimpft, die immer verzeiht.
    Daneben weinte ihr Sohn blutige Tränen auf das große Holzkreuz. Chib seufzte. Er fand es ebenso befremdlich, einen Mann zu verehren, der gleichzeitig der Vater, der Sohn und der Heilige Geist sein sollte, wie einen Mann mit Falkenkopf. Vielleicht war sein eigener Vater Anhänger des Voodoo-Kults. Vielleicht floss das Blut eines großen afrikanischen Königs in seinen Adern. Er strich über das sorgsam polierte Holz einer der kleinen Bänke, beugte sich hinab, um den Geruch von Wachs einzuatmen.
    »Guten Tag.«
    Er hatte sie nicht kommen hören. Er drehte sich um, zu rasch und sichtlich nervös.
    Sie trug einen aschfarbenen Wollrock und einen schwarzen Rundhalspulli, keinen Schmuck, kein Make-up, nur das Kettchen mit dem Goldkreuz. Blass, so blass wie eine Wachsstatue, die Hände über dem Schoß gefaltet.
    »Kann ich sie sehen?«
    Er ging einen Schritt auf sie zu, um sie davon abzuhalten.
    »Ich … ich glaube, es wäre besser, zu warten, bis Ihr Mann da ist … Es ist, es

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