Schneewittchens Tod
wir uns für Winnie verwenden, damit sie sich auch im Country-Club einschreiben kann, aber …«
Sie schwieg und trank einen Schluck Cappuccino.
»Sie ist etwas zu …«, wagte Chib zu sagen.
»Ja, genau . Remi hatte schon immer einen . sagen wir ausgefallenen Geschmack. Wenn ich daran denke, dass er beinahe Blanche geheiratet hätte! Das wäre eine Katastrophe geworden!«
Chib spürte, wie sich seine Finger um das Glas klammerten.
»Sie hat ihn also vor Andrieu gekannt?«
»Ja, sie waren zusammen an der Uni. An der juristischen Fakultät.«
»Ich kann mir Blanche schwer an der juristischen Fakultät vorstellen .«
»Oh, sie wollte Anwältin werden, Sie wissen ja, wie das mit dem Idealismus der jungen Mädchen ist . Chassignol hat ihr Jean-Hugues vorgestellt. Der hat sich dann Hals über Kopf in sie verliebt. Sie sind schon seit fünfzehn Jahren verheiratet; als sie dreiundzwanzig war, wurde Charles geboren. Ich konnte keine Kinder bekommen. Ich wollte eines adoptieren, aber davon wollte Paul nichts wissen. Also kümmere ich mich um die der anderen. Ich spiele die Verwöhntante.«
»Belle-Mamie lässt den anderen wohl nicht viel Platz, sie scheint ihre Enkel zu vergöttern«, meinte Chib.
»Sie ist definitiv verrückt nach ihnen!«, stimmte Noemie zu und warf den Kopf zurück, was die zarte Cartier-Kette vorteilhaft zur Geltung brachte.
»Das ist für Blanche sicher nicht immer einfach . Eine so allgegenwärtige Schwiegermutter«, bemerkte Chip kühn.
»Ah, das ist Ihnen also aufgefallen? Normalerweise sehen Männer solche Sachen nicht. Ich musste die Mutter meines Mannes zehn Jahre lang ertragen, ohne dass er je verstanden hätte, warum ich sauer war! Blanches Problem ist, dass sie nie etwas sagt. Sie ist so verträumt, so sehr in ihre innere Welt zurückgezogen . Ganz das Gegenteil von Jean-Hugues, der ist ein Fels in der Brandung!«
»Gegensätze ergeben oft ein gutes Paar«, meinte Speichellecker Moreno.
»Solange sich die Unterschiede nicht in einen unüberbrückbaren Abgrund verwandeln«, betonte Noemie Labarriere, die wohl einen Artikel mit der Überschrift »Wenn ihre Beziehung Risse bekommt« gelesen hatte.
»Sie scheinen sich sehr gut zu verstehen.«
»Natürlich. Es ist nur so, dass … Aber ich bin wirklich zu schwatzhaft! Paul wird sich fragen, wo ich bleibe. Wann können Sie Scotty abholen? Er ist bei unserem Tierarzt, hier ist seine Karte.«
Chib steckte sie frustriert ein. Noch zehn Minuten, und er hätte alles über das Ehepaar Andrieu erfahren.
Noemie erhob sich und sammelte ihre Pakete ein.
»Ihr versteht es wirklich, mit Frauen zu reden«, erklärte sie verschmitzt.
Ihr? Wer? Die Mischlinge? Die Bastarde?
»Wie mir mein Friseur gesagt hat: >Es liegt daran, dass wir keine Angst haben, unsere Femininität zu zeigen.««
Ihr Friseur? Femininität? Was war .?
Er musste völlig verblüfft aussehen, denn sie hob die Augen und tat verwirrt: »Oh, entschuldigen Sie, es tut mir Leid, ich bin so indiskret, Sie wollen sicher nicht, dass es bekannt wird! Dieser Schlingel von Charles hat mir . O je, ich muss mich beeilen.«
Charles? Beinahe hätte er sie bei dem feisten Arm gepackt und gebrüllt: Wovon redest du eigentlich, du Schreckschraube?, aber er beherrschte sich, während sie zu der Drehtür trippelte.
»Rufen Sie mich an!«
Er sah ihr nach, als sie zum Taxistand eilte. Was hatte Charles da über ihn erzählt? Was war das für eine Schlangengrube! Auf der anderen Seite wäre es praktisch wegen Blanche, wenn alle ihn für schwul hielten … Mit Blanche? Es war ein Anfall von Wahnsinn, Chib, nicht das Vorspiel zu einer leidenschaftlichen Beziehung. Es war schon vergessen. Es hatte nie existiert.
Wütend trank er sein Wasser aus. Ob sie nun gestört waren oder nicht, Charles und Louis-Marie waren nichts anderes als zwei Lausebengel, die eine anständige Tracht Prügel verdient hätten. Er stellte sich schon die Kommentare vor: Kennen Sie Chib Moreno? Den schwulen Präparator, Sie wissen schon, den kleinen Schwarzen, der so manieriert tut. Ein Goldstück, wirklich, derart sensibel, meine Liebe . Man fragt sich, wie er einen so grässlichen Beruf ausüben kann … Brrr!
Er warf das Geld auf den kleinen Tisch und verließ die Bar. Er würde den Hund abholen und nach Hause gehen, um zu arbeiten. In den Eingeweiden eines Köters wühlen und dabei Portishead hören.
Der Tierarzt rückte seine Brille zurecht, die ihm auf die Nasenspitze gerutscht war. Der Terrier lag in einem
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