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Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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Plastiksack auf dem Untersuchungstisch.
    »So. Der arme Scotty, ein Opfer seines schlechten Charakters!«
    Er räusperte sich, nahm die Brille ab und massierte sich die Augen. Müde sechzig Jahre in einer Cordhose und einem perlgrauen Lacoste-Sweatshirt. An den Füßen schwarze Doc Martens. Patek-Philippe-Uhr. Chib ließ den Blick über die von berühmten Kunden signierten Fotos gleiten, die das Zimmer schmückten: zwei Filmstars, der frühere Bürgermeister, ein TopModell, ein Fußballspieler .
    »Ein erlauchter Patientenkreis . «, bemerkte er mit der, den Umständen entsprechender bewundernder Miene.
    »Hm, ich praktiziere schon seit dreißig Jahren hier in der Gegend, ich kenne alle Welt.«
    Die Tierarztpraxis lag in einem Park inmitten der Millionärshügel.
    »Ich weiß nicht, warum, aber ich dachte, es wäre nicht mehr in Mode, seine Haustiere ausstopfen zu lassen«, fuhr Doktor Chabot fort und strich durch sein schütteres graues Haar.
    »Es ist nicht mehr in Mode«, bestätigte Chib, »aber es gibt noch immer Anhänger. Ein Glück für mich.«
    »Genau. Aber nebenbei, wenn das da oben so weitergeht, wird es Ihnen nicht an Arbeit mangeln.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich finde, dass es dieses Jahr in der Gegend zwischen Opio und Valbonne eine anormal hohe Anzahl von plötzlichen Hunde-Todesfällen gegeben hat. Ich frage mich, ob wir es nicht mit einem Verrückten zu tun haben, der sich ein Vergnügen daraus macht, Hunde umzubringen. Aber normalerweise benutzt diese Art Irre vergiftetes Fressen. In diesem Fall hingegen handelt es sich einfach um eine anormale Unfallhäufigkeit, die mich beunruhigt. Ich habe natürlich kein Wort darüber verloren, unnütz, alle aufzuschrecken.«
    »Und die Leute in Angst zu versetzen, vor allem, wenn man ohnehin nichts ändern kann!«, fuhr Chib verständnisvoll fort.
    »Genau. Seit zwei Monaten aber schien sich die Lage beruhigt zu haben. Und jetzt Scotty … Auf alle Fälle nicht so furchtbar wie das, was den Andrieus zugestoßen ist . Was für ein grauenvolles Drama!«
    Chib nickte mitfühlend.
    »Sie haben auch nicht gerade einen lustigen Beruf! Ich habe zumindest noch die Geburten, die Tiere, die ich retten kann, das ist ein kleiner Ausgleich für das Leid, aber Sie .«
    »Ach, meine Klienten leiden nicht mehr. Ich hoffe, dass meine Arbeit den Angehörigen hilft, Frieden zu finden.«
    »Genau. Aber ich finde es eher deprimierend, Leichen um mich zu haben . Na ja, jedem seinen Job!«
    Die Todesfälle bei Hunden sind anormal hoch. Dieser Satz ging ihm durch den Kopf, als er den eingewickelten Terrier aus dem Kofferraum des Floride hob und in sein Haus trug. Ein Hundemörder? Ein Hunde- und Kindermörder? Eine Serie von B-Movies? - Schluss mit dem Theater!
    Erfolglos befahl er sich, nicht mehr nachzudenken, und machte sich daran, letzte Hand an den steifen Tarzan zu legen, dessen Zähne über der künstlichen Gummizunge sichtbar waren. Die echte Zunge lag zusammen mit den Eingeweiden und den Augen in der Mülltonne. Eine dünne Farbschicht auf die Zähne, etwas Glanzspray für das Fell, die Glasaugen aus dem Spezialgeschäft sorgfältig in den leeren, gereinigten Höhlen befestigen, die Pfoten unsichtbar auf dem mit seinem Namen gravierten Holzsockel festschrauben. Ächzend hob er das rekonstruierte Tier hoch, es wog bestimmt dreißig Kilo, und setzte es auf ein Rollbrett mit roten und blauen Rädern, auf dem es zum Wagen seines Herrchens gefahren würde. Äußerst eindrucksvoll, das musste er zugeben, als er den ausgestopften Hund, bereit zu einer Skateboardpartie, betrachtete. Gute Arbeit. »So, jetzt kann Papa dich abholen.« Gerade als er das zu den sterblichen Überresten sagte, klingelte es an der Tür.
    Sobald der Kunde mit seinem Dobermann auf Rollen abgezogen war, machte er sich an Scotty. Ihn aufschneiden, sorgfältig das Fell und die Knochen, die er noch benötigte, auskratzen, das Fell behandeln und unter der Lampe trocknen lassen. Stunden von Arbeit lagen vor ihm. Aber es war besser, sich mit Arbeit zu berauschen als mit Alkohol, denn das Einzige, wozu er Lust, wirklich Lust hatte - ausgenommen natürlich, Blanche anzurufen, Blanche in die Arme zu schließen, Blanche mit dem Floride abzuholen und in die sternenklare Nacht zu entführen wie ein Dieb, wie ein Barbar -, ja, das Einzige, wozu er ansonsten Lust hatte, war zu trinken, zu trinken, bis er bewusstlos umfiele, den Kopf ebenso leer wie ein Halloween-Kürbis.
    INTERMEZZO 3
    Sie stank
    Sie stank nach sich

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