Schneewittchens Tod
Irren ist! O mein Gott, entschuldigen Sie, ich glaube, ich muss mich übergeben .«
Ich auch, sagte sich Chib und lief ins Badezimmer.
Nachdem er sich entleert hatte, fühlte er sich besser. Essen. Er musste essen. Den Magen stabilisieren. Er öffnete den Kühlschrank und verschlang hastig zwei Scheiben Schinken, einen Magermilchjoghurt, ein großes Stück Gruyere, einen Hühnchenschenkel und einen Riegel Bitter-Schokolade. Dazu Pampelmusensaft. Und jetzt einen Kaffee. Denn ohne Kaffee brauchte er gar nicht erst versuchen zu verstehen, was hier vor sich ging.
Man hatte Elilous Leiche gestohlen.
Absurd. Völlig absurd …
Hatte derjenige, der diesen »Diebstahl« begangen hatte, ihr auch das Genick gebrochen? Hatte er den Körper geholt, um noch perversere Gelüste zu befriedigen?
Wieder stieg Übelkeit in ihm auf, und er erbrach sich erneut. Nie mehr Wodka. Mindestens für einen Monat nicht.
Er begann sich anzuziehen und rief nebenbei Greg an, um ihn über die Lage zu informieren.
»Bist du verrückt?«, schrie Greg. »Kannst du dir mich als Columbo in der Addams-Family vorstellen? Noch dazu nehme ich am Beach-Volley-Turnier teil. Also, es tut mir Leid, aber auf mich kannst du nicht rechnen, um tote kleine Mädchen im Wald zu suchen.«
»Greg!«
»Nein und abermals nein! Lass mich in Ruhe damit, du kannst ja Gaelle fragen, die ist bestimmt begeistert. Sag ihnen, sie sei meine Partnerin und basta. Also, ich muss aufhören, ich spiele in einer Viertelstunde, und ich werde gewinnen, verlass dich drauf!«
Gaelle … ja, natürlich!
»Ich bin nicht sicher, dass das wirklich eine so gute Idee ist«, sagte sie und trommelte mit den Fingern auf das Armaturenbrett des Floride, der sich im zweiten Gang den Berg hinaufquälte.
»Wir haben keine andere Wahl.«
»Die Polizei wäre mir lieber gewesen. Es handelt sich immerhin um Grabschändung. Ich meine - wenn sich hier in der Gegend ein echter Geisteskranker herumtreibt .«
»Ich dachte, ich wäre der ewige Feigling?«
»Chib, wenn dieses Mädchen wirklich vergewaltigt und ermordet wurde und wenn man jetzt ihre Leiche gestohlen hat, müssen wir die Polizei einschalten! Fantömette und Razibus werden diese Sache nicht im Handumdrehen lösen können.«
»Und wer übernimmt den Razibus-Part?«
»Hör auf! Verdammt, hast du gelbe Augen! Was hast du gestern Abend gemacht?«
»Ich habe schon immer geahnt, dass es deprimierend ist, mit einer Ärztin liiert zu sein«, seufzte Chib und massierte sich den Nasenrücken. »Gut, rekapitulieren wir. Du bist Gregorys Partnerin. Dein Vater war bei der Polizei. Du bist auf Fälle mit Kindern spezialisiert.«
»Und wenn er meine Zulassung sehen will?«
»Erstens genügt bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes eine einfache Gewerbeanmeldung bei der Präfektur, und zweitens fragen die Leute selten danach. Hast du schon mal von deinem Friseur den Meisterbrief verlangt? Andrieu kennt die Gräfin di Fazio, die mich kennt und ihm Greg empfohlen hat. Dieses Milieu funktioniert in konzentrischen Kreisen. Und übrigens, gib dich diskret und wohlerzogen. Genau, wohlerzogen«, beharrte er.
»Ja, Chef. Und du, wer bist du? Der große Marabut der Fundsachen?«
Er zuckte die Schultern, ohne zu antworten. Er konnte den Kopf nicht schütteln, das tat zu weh. Gut, sie waren im Begriff, Unsinn zu machen. Gut, sie müssten die Polizei verständigen. Nun gut, er würde es nicht tun.
Andrieu stand vor der Kapelle, sein Gesicht war angespannt, die Augen gerötet und geschwollen, der weiße Jogginganzug hatte Schweiß- und Staubflecke. Chib, in seinen besten anthrazitfarbenen Anzug geschnürt, machte sie miteinander bekannt und betete, dass sein Atem nicht seinen Kater verriete.
»Gaelle Holzinski. Die Partnerin von Monsieur Donatello. Er wurde leider in Italien aufgehalten, aber Gaelle ist sehr kompetent, wenn es um Kinder geht.«
»Wir suchen keinen Pädophilen, verflixt noch mal«, knurrte Andrieu, schüttelte aber Gaelle die Hand, die sehr elegant wirkte in ihrem beige-rosafarbenen Kostüm von La City. Sie hatte es von einer Zimmernachbarin in der Studentenstadt ausgeliehen.
»Wir suchen nach einer sicherlich sehr gestörten Person, die das Grab eines Kindes geschändet hat«, entgegnete Gaelle mit ihrem besten Pariser Akzent. »Was hat sich genau zugetragen?«
»Ich bin gegen elf Uhr dreißig gekommen, um . um ihr guten Tag zu sagen, und . und sie war nicht mehr da!«
Er schien kurz davor, in Tränen auszubrechen. Mit einer wütenden
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