Schneewittchens Tod
Chib, der König der schnellen Ehebrüche, Schiss hatte. Scheiße! Blanche war im Begriff unterzugehen, und er sah zitternd zu!
Ohne weiter darüber nachzudenken, drückte er die eisenbeschlagene Tür zur Kapelle auf. Er streckte die Arme vor, stieß gegen diese verfluchte unschuldige Tür. Sie öffnete sich gehorsam, und er trat einen Schritt vor.
Nur einen.
Denn beim zweiten Schritt hielt er in der Bewegung inne, eigenartig erstarrt, so, als sei er gegen eine unsichtbare Mauer geprallt.
Eine unsichtbare Mauer, die ihn eine lange Sekunde daran hinderte, Worte für das zu finden, was er sah.
Elilou war zurückgekehrt.
Das sagte ihm sein verwirrtes Gehirn.
Elilou war zurückgekehrt.
Aber nicht in ihren hübschen gläsernen Sarg aus dem Märchen, nicht in ihren gläsernen Sarg, nein.
Sie hing gekreuzigt über dem Altar, mit dem Kopf nach unten.
An das große Holzkreuz geschlagen, von dem man den bemalten Christus abgenommen hatte.
Man hatte ihn auf den Boden geworfen, das Gesicht nach unten.
Chib blinzelte. Dabei sah er alles ganz klar. Das umgedrehte Kreuz. Elilous Gesicht etwa achtzig Zentimeter über dem Altar, ihr feines blondes Haar, das in Korkenzieherlocken an der Mauer herunterhing, die bleichen Wangen, die Lippen, die durch den Klebstoff geschlossen blieben. Der Rock des Kleidchens, der bis über ihre Schultern fiel, gab den Blick auf eine weiße Unterhose frei. Die kleinen übereinander gelegten Beine. Die Nägel, die dunklen Köpfe der langen Nägel, die in die winzigen Füße geschlagen waren, direkt neben dem Riemchen des Lackschuhs.
Wie in Trance stützte sich Chib auf die Lehne eines Betstuhls. Dubois hatte von Besessenheit gesprochen. Und was er hier vor Augen hatte, war in der Tat ein teuflisches Werk.
Er ging zum Altar. Er fröstelte. Sein Mund war trocken wie Pappe. Jeder Schritt kostete ihn Überwindung. Die Nägel in den Händen, wie schwarze, glänzende Augen in den bläulichen Handtellern. Und das Schlimmste, das Schlimmste waren die Augen. Geöffnet, die Lider abgelöst. Tote, verdrehte Augen, die ihn näher kommen sahen. Dämonische Augen, sagte sich Chib, verdammt, diese Augen machten Angst!
Er ballte die Hände zu Fäusten. Diese ganze Inszenierung hatte nur dieses eine Ziel, nämlich Angst zu wecken, Angst und Abscheu. Wer konnte Andrieu so sehr hassen?
Fast wäre er über den Christus gestolpert, der auf den Fliesen lag. Er drehte ihn um und bemerkte, dass man ihm einen Büstenhalter aus schwarzer Spitze angezogen hatte. Das war lächerlich, dachte er, lächerlich, aber widerwärtig obszön, dieser hölzerne Christus mit einem sexy Büstenhalter und den geschnitzten Tränen, die in seinen Bart rannen.
Er rümpfte die Nase. Noch dazu stank es nach Urin. Man hatte auf den Christus gepinkelt. Er fröstelte.
An dem Büstenhalter hing ein weißer Zettel, auf dem ein mit der Maschine geschriebenes Wort stand. Er beugte sich hinab und las: Hurensohn. Jetzt war ihm wirklich kalt. Er hob den Kopf: Elilou hing noch immer über dem Altar, den starren Blick auf ihn gerichtet.
Er durfte die Andrieus nicht rufen, sie durften ein solches Grauen nicht sehen!
Er wich zurück und lief zum Ausgang. Gaelle und Dubois verständigen, Dubois hatte sicher so etwas schon einmal gesehen . Die Tür schließen, verhindern, dass jemand die Kapelle betrat. Er schloss hinter sich ab und steckte den Schlüssel in die Tasche. Er war schweißüberströmt, und doch fror er.
Er sah Gaelle, die sich in der Nähe des Werkzeugschuppens mit Costa unterhielt. Er machte ihr ein Zeichen. Sie nickte, beendete das Gespräch und kam zu ihm.
»Es gibt nichts Besonderes, keine Fremden, die sich auf den Besitz geschlichen haben .«
»Gaelle, sie ist zurück!«
»Wie bitte?«
»Elilou, sie ist da drin!«
Sie folgte seinem Blick.
»In der Kapelle?«
»Ja, ich warne dich, es ist wirklich kein schöner Anblick.«
»Hat man ihr die Glieder ausgerissen?«
»Nein, aber es ist auch nicht besser.«
Sie trat einen Schritt zurück, sah ihn aufmerksam an.
»Verdammt, du bist ganz grau!«
»Ich sage ja, es ist ein grässlicher Anblick. Wir müssen Dubois Bescheid sagen. Aber auf keinen Fall Andrieu.«
»Ich sehe es mir an«, sagte sie entschlossen.
»Warte!«
Er zog den Schlüssel aus der Tasche.
»Lass niemanden herein und mach die Tür hinter dir zu.«
»Du machst mir Angst«, protestierte sie und nahm den Schlüssel.
Er sah, wie sie den Schlüssel umdrehte, die Tür aufdrückte und Sich übergab.
Er lief zu
Weitere Kostenlose Bücher