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Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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ihr, drehte sich plötzlich um. Costa beobachtete sie mit zusammengekniffenen Augen. Er schloss die Tür hinter sich. Gaelle rang nach Atem und wischte sich den Mund mit einem Papiertaschentuch ab.
    »Ich musste noch nie kotzen, nicht mal bei der Autopsie«, entschuldigte sie sich.
    »Ich bin da besser trainiert als du«, sagte er und legte ihr voller Zuneigung die Hand auf die Schulter.
    »Was sollen wir Andrieu sagen? Wenn er das sieht, ist er reif für die Klapsmühle - auf Lebenszeit.«
    Chib nagte an der Unterlippe.
    »Außer, wir legen sie wieder in den Sarg«, flüsterte er schnell.
    »Was? . Einfach so?«
    »Du hast es ja gerade selbst gesagt, er würde den Anblick nicht aushalten, Gaelle, kein Verwandter kann so etwas ansehen, ohne den Verstand zu verlieren.«
    Unentschlossen kaute sie an ihrem Daumennagel. Er verstärkte den Druck auf ihre Schulter.
    »Ich weiß, dass wir die Polizei verständigen müssten, aber das würden die Andrieus nicht überleben!«
    Ja, Blanche würde sicherlich daran sterben, sich vor einen Zug werfen, sich die Pulsadern mit einer Glasscherbe aufschneiden, die ebenso durchsichtig wäre wie ihr Blick. Blanche, die für immer und ewig durch die schmutzigen Flure der Psychiatrie irren und zusammenhangslose Worte vor sich hin murmeln würde, die Nägel abgesplittert, weil sie an den Wänden gekratzt hätte, wie man am Deckel eines Sarges kratzt, in den man lebendig eingesperrt wurde.
    »Sag Dubois Bescheid«, sagte Gaelle. »Wir werden die Entscheidung mit ihm treffen. Es ist besser, wenn wir uns absichern.«
    Chib seufzte.
    »Hältst du es hier allein aus?«
    »Ja, es geht mir schon besser. Ich werde ein paar Fotos machen.«
    Chib sah sie verblüfft an.
    »Dann können wir, selbst wenn wir sie wieder in den Sarg legen, doch nach Indizien suchen«, erklärte sie, zog eine kleine Digitalkamera aus der Tasche und stellte das Zoom ein.
    Wie sollte er Dubois verständigen, ohne dass Andrieu es mitbekam? Unter dem Blick von Costa, der das Beet mit den weißen und blauen Hortensien goss, schlich sich Chib ins Haus.
    Andrieu, der sichtlich verstört war, ging die Treppe zu den Schlafzimmern hinauf.
    Chib hatte Glück. Er eilte zur Bibliothek. Die Augen geschlossen und die Hände gefaltet, saß Dubois da und murmelte leise vor sich hin.
    »Sie müssen schnell kommen, es ist etwas Schlimmes passiert!«, sagte Chib mit gedämpfter Stimme.
    Der Priester öffnete die Augen.
    »Haben Sie sie gefunden?«
    Chib nickte.
    »Ihre Eltern dürfen es nicht erfahren, sie dürfen das nicht sehen«, fügte er eindringlich hinzu.
    »Ich komme.«
    Dubois folgte ihm, die Lippen zusammengepresst.
    Costa war noch immer mit dem Gießen beschäftigt, und Chib zwang sich, den Hof langsam zu überqueren, seine Erregung zu verbergen. Er klopfte leise an die Tür, die sich kurz darauf öffnete. Gaelle stand mit ihrem Fotoapparat in der Hand vor ihnen. Sie trat zur Seite, um sie hereinzulassen, und schloss dann die Tür hinter ihnen wieder.
    Dubois sagte nichts. Reglos starrte er auf Elilous gepeinigten Körper. Dann ging er langsam darauf zu. Seine Lederschuhe knarrten bei jedem Schritt. Er hob die rechte Hand und bekreuzigte sich. Chib hielt den Atem an, war darauf gefasst, dass der Kopf des Kindes herumfahren würde, wie bei einem Remake von Der Exorzist, oder dass der hölzerne Christus aufspringen würde, um dem Priester einen Backenstreich zu versetzen. Doch nichts dergleichen geschah. Der gedemütigte Christus blieb am Boden liegen, das Kind starrte weiter aus seinen toten Augen auf sie herab.
    »Was sollen wir tun?«, fragte Gaelle.
    »Sie abnehmen und zurück in ihren Sarg legen«, antwortete der Priester mit tonloser Stimme. »Sie dürfen das nicht sehen, sie sind nicht stark genug.«
    »Der Ansicht waren wir auch«, erklärte Gaelle. »Aber wir wollten Ihre Zustimmung.«
    »Fangen wir an.«
    Er ging entschlossen auf das Kreuz zu. Chib schob den Christus in den Seitengang und kam zu ihm. Der Priester bedeutete ihm mit einer Geste, stehen zu bleiben.
    »Gibt es eine Leiter?«
    Chib sah sich um. Keine Leiter. Das Kreuz war etwa einen Meter fünfzig hoch, und der Schraubhaken, an dem es befestigt war, war drei Meter dreißig vom Boden entfernt. Ohne Leiter also nicht zu erreichen.
    »Vielleicht draußen?«, meinte er.
    »Ich sehe nach«, antwortete Gaelle.
    »Aber der Gärtner wird dich fragen, warum du in der Kapelle eine Leiter brauchst«, wandte Chib ein. »Außerdem kann Andrieu jederzeit hier auftauchen. Oder

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